Ein knuspriger Laib dunkles Brot aus der Bäckerei Julius Brantner in München

Fachgespräch mit Julius Brantner

„Backen ist ein natürlicher Prozess, der sich nicht willkürlich verkürzen lässt“

Kaum fünf Jahre in der Stadt, hat sich Julius Brantner mit seinen Biobroten, -semmeln und -croissants in die Herzen der Münchnerinnen und Münchner gebacken. Ein Gespräch über Sauerteigtrends, Teigruhe und Brezeln vs. Brezn.

Steht man abends vor einer der transparenten Bio-Backstuben von Julius Brantner, könnte man glatt übersehen, dass man eine Bäckerei vor sich hat. Das Interieur ist mit gekonnt eingesetztem Terrazzo, Marmor und Messing so clean und geschmackvoll, dass es sich genauso um ein Designstudio oder eine angesagte Bar handeln könnte. Tagsüber kommt man nicht auf solche Ideen. Zum einen, weil sich häufig Schlangen bis auf den Bürgersteig bilden und in kurzen Abständen Menschen heraushuschen, die behutsam braune Brottüten umarmen. Vor allem aber, weil der Duft von frisch gebackenem Brot dann die ganze Straße erfüllt. Doch dass sein Brot innerhalb kurzer Zeit zu einem Stadtliebling werden würde, hat Julius Brantner selbst überrascht.

 

Herr Brantner, Sie wurden als „Münchens neuer Star-Bäcker“ betitelt, das Gourmetmagazin Falstaff hat Sie 2019 zum beliebtesten Bäcker der Stadt gewählt, auf Google liest man in den Rezensionen von „life changing Brot“ oder der „Liebe meines Lebens“. Erleben Sie öfter, dass Ihr Brot geradezu religiöse Huldigung erfährt? 

Ich tu mich zwar ein bisschen schwer damit, aber ja, das kommt schon vor. Dabei ist Brot ja nichts Neues. Vielleicht ist meins ein bisschen besser …

Sie wirken, als würde Sie die Emotionalität überraschen.

Voll. Ich komme aus einer Bäckerfamilie, bei uns gab es jeden Tag frisches Brot. Klar, dass mir Qualität wahnsinnig wichtig ist. Aber dass es vielen Leuten so geht, damit habe ich nicht gerechnet.

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ich glaube, dass Brot in unserer Kultur tief verwurzelt ist. Als ich meinen Businessplan erstellt habe, ging ich davon aus, dass die ältere Generation gar nicht zu mir kommen würde. Aber es kommen nicht nur die jungen, bewussten Einkäufer, sondern auch ganz viele ältere Leute. Die sagen mir: Das Brot schmeckt wie früher. Mit meinen 31 Jahren kann ich das nicht beurteilen, aber ich glaube, dass die Qualität bei Brot in den letzten Jahren so stark nachgelassen hat, dass sich die Leute nach einem guten Produkt sehnen. Und wenn sie dann mal wieder ein handwerkliches Brot bekommen, sind sie begeistert.

Was macht ein gutes Brot aus?

Wenn man einen schlechten Grundrohstoff hat, kann man alles vergessen. Wir sind komplett biozertifiziert, unser Mehl beziehen wir von der Müllerin Monika Drax eine Stunde östlich von München. Wir arbeiten also mit sehr guten Ausgangsprodukten. Der Rest ist ein Zusammenspiel von unterschiedlichen Faktoren: welche Mehle in was für einem Verhältnis? Welcher Sauerteig? Wie lange ruht der? Entscheidend ist für mich vor allem der letzte Punkt: dass man dem Produkt Zeit gibt.

Warum ist die Ruhezeit wichtig?

Weil das Backen ein natürlicher Prozess ist – und der lässt sich nicht willkürlich verkürzen. Versucht man es, bekommt man ein schlechteres Brot, das nicht bekömmlich ist, schnell altert und nicht gut schmeckt. Die Universität Hohenheim hat in den letzten zehn Jahren viel zu sogenannten FODMAPs in Brot geforscht. Das sind Kohlenhydratketten, die im Verdacht stehen, allergische Reaktionen auszulösen. Lässt man den Teig jedoch lang genug ruhen, bauen sich die FODMAPs ab und verflüchtigen sich im Backprozess. In der Industrie ist das nicht möglich, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Da kommt man um 16 Uhr zur Schicht, hat zwei Excel-Tabellen in der Hand und weiß, dass man in den nächsten Stunden 80.000 bis 100.000 Brote rausschiebt. Bei so einem Prozess sagt die Natur: ohne mich. Nebenbei bemerkt ist das auch der Grund, warum wir eine transparente Backstube haben.

Was ist das?

Ich war in vielen Bäckereien, die behauptet haben, nur mit Mehl, Wasser und Salz zu backen – und ich war immer der, der die Backmittel reinmischen musste. Das große Problem dabei ist, dass man das als Kunde fast nicht rauskriegen kann. Weil vieles nicht deklariert werden muss, zugesetzte Enzyme zum Beispiel. Für meine eigene Bäckerei habe ich mich deshalb gefragt: Was kann ich tun, damit mir der Kunde auch wirklich glaubt? Meine Antwort: Ich mache es öffentlich! Bei uns kann jeder dabei zusehen, was wir in unsere Produkte hineintun und wie wir backen.

Ohne Zusätze dürfte es deutlich schwieriger sein, eine gleichbleibende Qualität zu garantieren. Wie schaffen Sie das?

Tatsächlich ist das jeden Tag unsere schwierigste Aufgabe. Wir müssen immer darauf achten, dass wir die richtigen Teigtemperaturen haben, um die Fermentation zu steuern. Da spielen Wetter und Außentemperatur eine wichtige Rolle. Und auch das Mehl verändert sich von Jahr zu Jahr. Je nachdem, wie heiß, trocken oder feucht der Sommer war, müssen wir unsere Rezepturen anpassen.

Mit jeder neuen Ernte heißt es für Sie zurück auf Los?

Wir müssen unsere Rezepte zwar nicht komplett neu entwickeln, aber wir müssen sie updaten. Im Juni oder Juli gehe ich mit Monika auf ein paar Felder und wir machen uns ein Bild davon, was auf uns zukommt. Direkt nach der Ernte lässt Monika das Mehl im Labor analysieren, und wir erhalten ein technisches Datenblatt, aus dem wir entnehmen können, wie das Wasser aufgenommen wird, wie schnell sich der Teig entwickelt und so weiter. Und dann fangen wir in kleinen Schritten an, mischen jeden Tag etwas mehr neues Mehl zum alten. Es ist eine Phase, in der wir maximal konzentriert sein müssen.

Sauerteige liegen im Trend, manche werden wie erweiterte Familienmitglieder behandelt, haben einen Namen, sind manchmal über 100 Jahre alt. In Belgien existiert sogar eine Art Bibliothek, in der solche Sauerteige in Kühlkammern gesammelt werden.

Ja, ich kenne die Bibliothek, und das ist auch alles schön und gut, aber letztlich halte ich es doch für Quatsch. Ein Sauerteig lebt bei Raumtemperatur. Man kann ihn zwar kühl stellen und so in eine Art Ruhemodus versetzen, aber darunter leidet sein Immunsystem, und das schmeckt man auch. Und auch den Ortswechsel darf man nicht unterschätzen.

Inwiefern?

Ich habe es mehrfach erlebt, dass eine Backstube neu gebaut wurde und es über ein Jahr dauerte, bis das Brot wieder seine ursprüngliche Qualität erreicht hat. Ich könnte Ihnen unseren Sauerteig mitgeben, unsere Rezepte, unser Mehl – und wenn Sie dann bei sich daheim backen, wird das Brot trotzdem anders schmecken. Weil unser Sauerteig ununterbrochen in unserer Backstube steht und die hier herrschenden Einflüsse in sich aufnimmt: die Mikroflora des Raumes, die Umgebungsluft, die Leute, die mit ihm arbeiten.

Im Oktober 2022 haben Sie selbst eine zweite Backstube eröffnet.

Ja, das war durchaus eine Herausforderung. Schon etliche Wochen vor dem Einzug haben wir unseren Sauerteig eimerweise rübergebracht und in der neuen Backstube verteilt. Und als alles fertig eingerichtet war, haben wir den Sauerteig mit Wasser angerührt und damit alle Fliesen, vom Boden bis zur Decke, gestrichen und das Ganze zwei Tage vergären lassen. Das hat vielleicht gerochen (lacht).

Sie haben Ihre neue Bio-Backstube mit Sauerteig geweiht?

So könnte man es ausdrücken! Es war uns wirklich wichtig, die wertvollen Bakterienkulturen mitzunehmen. So ein Sauerteig ist einfach sensibel, verändert sich seine Umwelt, verändert sich auch der Teig. Auch deshalb ist bei uns alle 24 Stunden jemand zur Sauerteigschicht da – selbst an Weihnachten oder Silvester. 

Hat Ihnen die Bäckerei dabei geholfen, in München anzukommen?

Sehr. Die Gastronomie ist schnell auf uns aufmerksam geworden, da habe ich viele interessante Leute kennengelernt.

Dennoch sind Sie weit davon entfernt, Ihre Heimat zu verleugnen. Warum muten Sie den Menschen in München schwäbische „Brezeln“ zu?

Na, weil sie besser sind.

Einspruch!

Okay, tatsächlich muss ich zugeben, dass die bayerischen im Teig besser sind, weil der mehr Fett enthält. Aber in der Form mag ich die schwäbischen lieber, vor allem die sehr dünnen Ärmchen, die wie Salzstängele sind. Deshalb sind unsere Brezeln im Teig bayerische, aber in der Form sind und bleiben es schwäbische. Das gilt auch für den Namen. Ich rede so dermaßen schwäbisch, was soll ich da „Brezn“ backen?

Zum Schluss eine schnelle Fragerunde: Ihr bester Tipp zum Brotbacken?

Ein gusseiserner Topf oder ein Römertopf zum Backen. Und den Teig mindestens 24 Stunden gehen lassen.

Die beste Art, um Brot zu lagern?

Ein Tontopf, offenporig, nicht beschichtet, wenn möglich mit Holzdeckel. Um Schimmel vorzubeugen, einmal die Woche mit Apfelessig ausputzen.

Der nächste Sortiment-Zugang bei Julius Brantner?

Canelés! Kleine, gugelhupfartige Kuchen aus dem Bordeaux. Wir haben fast ein Jahr daran gearbeitet, jetzt bin ich endlich zufrieden damit. In den nächsten Wochen starten wir mit dem Verkauf.  

 

 

Interview: Nansen & Piccard; Fotos: Frank Stolle

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