Blick auf die Reichenbachstraße im Glockenbachviertel in München

Besondere Straßen: Reichenbachstraße München

Lebendig wie das Glockenbachviertel

Die Reichenbachstraße verbindet zwei der wichtigsten Orte Münchens miteinander: die Isar und den Viktualienmarkt. Aber nicht nur das – mit dem Gärtnerplatz, den kleinen Läden und einladenden Café-Terrassen ist sie lebendig wie keine zweite.

Wenn man sich die Reichenbachstraße von oben ansieht, dann weiß man, warum Straßen auch oft als pulsierende Lebensadern bezeichnet werden. Die vielleicht wichtigste Straße im Glockenbachviertel verbindet nämlich nicht nur zwei wichtige Münchner Organe miteinander – die Isar und den Viktualienmarkt – sondern schenkt auch dem ganzen Viertel Atmosphäre. Die Reichenbachstraße ist so lebendig, sie ist die perfekte Verlängerung vom quirligen Gärtnerplatz.

Die Reichenbachstraße ist so lebendig, sie ist die perfekte Verlängerung vom quirligen Gärtnerplatz.

Diese Lebendigkeit spürt man, wenn man an diesem immer perfekt bepflanzten Platz sitzt – egal, ob mittags mit einem Snack oder abends bei einem Feierabendbier. Die Bänke hier sind wie Kinosessel, es gibt immer etwas zu sehen. Man spürt das Leben, wenn die Leute am Samstag mit ihren Einkäufen vom Viktualienmarkt nach Hause laufen. Wenn Münchner Designer und Designerinnen auf kleinen Hockern mit einer Kaffeetasse in der Hand vor ihren Läden sitzen und ratschen. Oder wenn man im Sommer die Straße entlangradelt, vorbei an der Terrasse vom Trachtenvogl, die zu jeder Zeit gut besucht ist.

 

Seit immer hier: Die Schreinerei im Hinterhof

Zuerst einmal zieht es uns aber weg von der Straße und hinein in einen verwunschenen Hinterhof. Wir landen vor einer in die Jahre gekommenen, schiefen Schreinerei. Die steht dort, fast so, als hätte sie sich die letzte Jahre hier gut vor der Gentrifizierung versteckt. Im Hinterhof fällt sofort auf: Die Reichenbachstraße kann auch ganz still sein. Schreinermeister Tobias Pahl ist gerade dabei, das Auto auszuladen. Aus der Werkstatt hört man leise die Maschinen, als er uns die Türe öffnet, fliegen uns Sägespäne entgegen.

Pahl hat vor 30 Jahren hier seine Lehre gemacht, als sein Meister aufhörte, übernahm er den Betrieb. Heute ist unten die Werkstatt, oben seine Wohnung. Auf der Dachterrasse über der Garage finden im Sommer kleine Konzerte mit Freunden statt. Viele Aufträge laufen über die Nachbarschaft, wie zum Beispiel der Umbau der Götterspeise – und das ist auch, was ihm so gefällt am Glockenbachviertel, an der Reichenbachstraße: das Miteinander, das Dorf in der Großstadt. Wohnen und arbeiten mittendrin und trotzdem so idyllisch. 

Das ist auch, was ihm so gefällt an der Reichenbachstraße: das Miteinander, das Dorf in der Großstadt. Wohnen und arbeiten mittendrin und trotzdem so idyllisch.

„Gleichzeitig ist da natürlich auch die Angst. Ich sehe ja, wie schnell sich alles verändert. Und hoffe natürlich, dass es meine Schreinerei noch lange geben wird“, erzählt er uns. Pahl führt uns durch die wunderschönen Räume im ersten Stock, er zeigt uns eine sehr alte Spindel-Furnier-Presse, die noch per Hand betrieben wird und stellt uns seine beiden Lehrlinge vor. Zum Mittagessen gibt es Kartoffelsalat und es ist so nett, dass wir uns beinahe einfach dazusetzen.

 

Die Bierothek – so modern wie das Viertel selbst

Einen Kontrast dazu bietet die Bierothek in der Reichenbachstraße 22: Über 400 Sorten verschiedene Craft-Biere stehen hier im Regal. Die jungen Betreiber der Munich Brew Mafia brauen selbst und verkaufen auch ihr eigenes Bier. Erst vor wenigen Monaten haben sie den Laden übernommen, hinter der Theke steht heute Niklas Zerhoch, er ist begeistert vom Viertel: „Das Glockenbach ist modern und hip, so wie Craft-Beer eben auch. Und die Reichenbachstraße liegt schön zentral, das bedeutet viel Laufkundschaft für uns.“ Zum Feierabend, bevor es an die Isar geht, stürmen Bierfans ihm regelmäßig den Laden.

Die Bierothek hat aber nicht nur ausgesuchte Craft-Biere aus der ganzen Welt im Sortiment, sondern auch gekühlte Flaschen der bekannten Münchner Brauereien – und das zum kleinen Preis. „Wir wollen nicht nur das Craft-Beer-Klientel bedienen, hier findet wirklich jeder etwas!“ Niklas war früher selbst viel in der Straße unterwegs, am liebsten in der Holy Home Bar oder am Gärtnerplatz. Heute schätzt er vor allem das nachbarschaftliche Miteinander im Haus. Eine Nachbarin mit Hund geht regelmäßig am Laden vorbei, wenn sie mit ihm spazieren geht, Niklas hat deshalb nun immer Leckerlis in der Schublade.

Shopping in der Reichenbachstraße

Wir verabschieden uns und essen im Trachtenvogl zu Mittag. Pasta und Halloumi-Salat von der Tageskarte, beides wie immer fantastisch und nicht teuer. Man kann sich die Reichenbachstraße nicht mehr vorstellen ohne das nette Café, das früher auch noch Bar war. Drinnen knistert im Winter das Lagerfeuer auf Retro-Fernsehern, während man ins Sofa sinkt und sich zwischen Dutzenden Kakao-Sorten entscheiden muss. Im Sommer sind die Sonnenplätze auf der Terrasse heißt begehrt. Die Kellner*innen sind nett, das Essen ehrlich lecker – was will man mehr?

Von der Terrasse aus schauen wir direkt auf drei Shopping-Perlen im Viertel – allesamt von Münchnerinnen geführt. Da ist das lokale Label Akjumii (Reichenbachstraße 36): Die beiden Designerinnen Michaela Wunderl-Strojny und Anna Karsch entwerfen schon seit 2012 minimalistische Mode für Männer und Frauen. Die Kleidungsstücke, so gut wie immer aus Naturmaterialien, entstehen dann direkt vor Ort im Atelier. Die vordere Ladenfläche ist oft an andere Labels vermietet, gerade stehen hier hunderte Pflanzen, ein richtiger Dschungel.

Unter der Hausnummer 30 sollte man auf keinen Fall den Homegirl Store und den Capricorn Store verpassen. Letzter setzt auf ausgewählte Second-Hand-Mode und trotzdem fühlt man sich wie in einer schicken Boutique. Betreiberin Stephanie Zürn hat nur eine gewisse Anzahl an Kleiderbügeln im Laden hängen – das heißt: Erst, wenn ein Teil verkauft wird, darf ein neues einziehen. Angefangen hat sie mit den Kleiderschränken ihrer Freundinnen, mittlerweile kommen die ausrangierten Designerteile von Kundinnen aus der ganzen Stadt.

Während man sich anderswo oft nicht in kleine Läden hinein traut, ist die Hürde in der Reichenbachstraße überraschend niedrig. Und wer einmal drin war, wird beim nächsten Mal schon wie eine Stammkundin begrüßt.

Kleine und große Labels, teilweise auch aus München und Berlin, findet man dagegen im Homegirl Store gleich nebenan. Betreiberin Medo Diet wollte einen coolen Laden für Frauen, in dem man sich sofort wohlfühlt – und das ist ihr gelungen. Während man als Kundin durch die fairen Klamotten stöbert, läuft Hip Hop und irgendjemand sitzt immer mit einem Drink in der Hand vor dem Laden. Während man sich anderswo oft nicht in eben jene kleine Läden hinein traut, ist die Hürde in der Reichenbachstraße überraschend niedrig. Und wer einmal drin war, wird beim nächsten Mal schon wie eine Stammkundin begrüßt.

Zwischen Flat White und Filterkaffee

Eine Straße voller Kontraste. Das beweist auch das Café Wiener, schon seit über 1960 in der Hausnummer 8. Während um den Gärtnerplatz herum immer mehr hippe Cafés eröffnen, in denen Cold Brew und Flat White (ähnlich wie ein Cappuccino nur mit einem doppelten Espresso) zum guten Ton gehören, setzt man hier auf den guten, alten Filterkaffee. Natürlich aus der Oldschool-Filtermaschine. Dazu gibt es üppige Oma-Torten für kleines Geld. So landet man für Kaffee und Kuchen bei gerade einmal fünf Euro – das gibt es sonst nirgendwo im ganzen Viertel.

Nur wenige Straßen schaffen diesen Spagat: Am Puls der Zeit und trotzdem darf das Alteingesessene bleiben. Flat White und Filterkaffee.

Aber wer die Münchner Grantigkeit nicht kennt, kann sich von der rauen Art der Betreiberin schon einmal vor den Kopf gestoßen fühlen. Aber so ist man eben hier, freundlich, aber nicht aufgesetzt. Dazu passt auch der alte Mann auf der Terrasse, der im Leinenhemd und Sommerhut einen heißen Filterkaffee in der prallen Sonne trinkt. Oder die zwei Seniorinnen, die sich gerade für ein Tortenstück entscheiden. Das Café Wiener ist ein echtes Münchner Original – so wie die Reichenbachstraße selbst.

Nur wenige Straßen schaffen diesen Spagat: Am Puls der Zeit und trotzdem darf das Alteingesessene bleiben. Flat White und Filterkaffee. Die Reichenbachstraße ist eine der wenigen Straßen, die trotz Modernisierung und Veränderung ihr Gesicht nie verloren hat. Sie sieht immer noch spannend aus, fühlt sich spannend an. Man findet hier zwar die skandinavische Interiorkette, aber eben auch den Antiquitätenladen mit ausgesuchten Einzelstücken. Die Straße ist organisch gewachsen, sie verstellt sich nicht. Und bietet ihren Gästen zwischen der Isar und dem Viktualienmarkt eine willkommene Verschnaufpause an.

 

Text: Anja Schauberger; Fotos: Frank Stolle

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Im Franzosenviertel leben alteingesessene Salonlinke neben progressiven Galerieprojekten. Man weiß Qualität zu schätzen, ohne groß damit angeben zu wollen – und bleibt überraschend.

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