Die Gastronomin Prateek Reen betreibt eines der beliebtesten indischen Lokale in München. Wir haben mit ihr über die Unterschiede zwischen Neu-Dehli und München, ihr Restaurant „Madam Chutney“ und indische Lieblingsgerichte gesprochen.
Prateek Reen landete 2016 in München – ohne Freunde, ohne Job, dafür mit jeder Menge Heimweh. Um sich ihrer indischen Heimat näher zu fühlen, begann sie mit ihrer Mutter per Video zu Hause zu kochen. Ein Jahr später eröffnete sie ihr erstes Restaurant in München. Mittlerweile hat ihr Lokal „Madam Chutney“ zwei Standorte in der Innenstadt, einen am Viktualienmarkt und einen am Sendlinger Tor. Die Doku-Serie „Alles außer Kartoffeln“ vom Bayerischen Rundfunk machte Prateek Reen deutschlandweit berühmt. Wir treffen die Restaurantbesitzerin zum Interview, sprechen mit ihr über das ruhige München, das laute Neu-Delhi und wie aus ihrem Heimweh eine erfolgreiche Geschäftsidee wurde.
Wie war Ihre Ankunft in München?
Das war 2016, mein Mann arbeitete bereits seit fast zwei Jahren hier. Ich zog nur sechs Tage nach unserer Hochzeit nach München und kam an einem kalten und regnerischen Dezembertag an. Mein erster Eindruck von Deutschland war: Es ist so still hier! Wenn man auf dem Flughafen in Delhi landet, denkt man, dort wäre ein Party – so viele Menschen, so viel Lärm. Im Vergleich dazu ist München wie ein kleines Dorf. Alles war neu, ich hatte noch nie in einem anderen Land als Indien gelebt. In Neu-Delhi habe ich in einer Marketingfirma gearbeitet, aber hier hatte ich keinen Job, keine Freunde, ich kannte die Sprache nicht. Zum ersten Mal war ich also allein zu Hause, während mein Mann arbeitete. Und das Wetter war schlecht. Es war wirklich traurig.
Und wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Restaurant zu eröffnen?
Ich wollte unbedingt etwas Eigenes machen, wusste anfangs aber noch nicht genau was, weil ich die deutsche Kultur nicht kannte. Was ich aber wusste: Ich liebe es, Menschen zu verköstigen. Mein Mann und mich verbindet das Essen – wir lieben gute Restaurants und sind beide gute Köche. Und wenn man aus Indien kommt, will man am Ende des Tage indisch essen. Ich habe also ein paar indische Restaurants in München ausprobiert, aber war leider enttäuscht. Da habe ich angefangen, zuhause zu kochen: Meine Mutter und meine Tante haben mir via Videocall sämtliche Gerichte gezeigt. Wir haben unsere Freunde und Arbeitskollegen eingeladen – und die haben sich dann schon immer gefreut, wenn sie bei uns zum Abendessen waren. 2017 habe ich dann ein kleines Restaurant in der Alten Heide eröffnet, das erste Lokal in München mit indischem Street Food. Die ersten paar Monate war eine reine One-Woman-Show: Ich habe allein gekocht, abgewaschen und die Bestellungen aufgenommen.
Ich liebe es, Menschen zu verköstigen. Und wenn man aus Indien kommt, will man am Ende des Tage indisch essen.
Gibt es ein indisches Gericht, das Sie besonders vermisst haben?
Chole Bhature! Ein frittiertes Brot aus Mais, in Indien essen wir es immer sonntags. Das war etwas, das ich in Deutschland sehr vermisst habe und deshalb gleich auf die Karte von Madam Chutney gesetzt habe. Ich wollte den Leuten zeigen, dass indisches Essen mehr ist als nur Curry. Und indisch essen zu gehen kann ein echtes Erlebnis sein! Wenn man sich in Deutschland abends mit Freunden zum Essen verabredet, denkt man an französische oder italienische Restaurants, aber selten an indische. Das wollte ich ändern! Und es ist mir gelungen: Jetzt haben wir Paare, die zu uns ins Lokal kommen, um einen schönen Abend zu haben, und das macht mich sehr glücklich.
Viele Menschen träumen davon, ein eigenes Café oder Restaurant zu haben. Gab es auch Schwierigkeiten bei der Eröffnung von Madam Chutney?
Auf jeden Fall! Zuerst war da die ganze Bürokratie – das ist in Deutschland alles nicht so einfach. Dann kam Corona und der Lockdown, kurz nachdem wir unser neues, großes Lokal am Viktualienmarkt eröffnet hatten. Und es war auch nicht so einfach, gute Köche zu finden: Meine Köche kommen alle aus Indien, ich fliege mindestens einmal im Jahr dorthin, um meine Familie zu sehen, und kombiniere das dann mit Vorstellungsgesprächen. Aber in Indien ist die Küche sehr männerdominiert, für meine Mitarbeiter war es also neu, eine Frau als Chefin zu haben, auf sie zu hören. Seit ich 2017 das erste Restaurant eröffnet habe, habe ich leider keine einzige Bewerbung von einer Köchin erhalten. Und das ist sehr schade, denn ich würde total gerne eine Frau einstellen!
Ich wollte den Leuten zeigen, dass indisches Essen mehr ist als nur Curry. Und indisch essen zu gehen kann ein echtes Erlebnis sein!
Woher kommen Ihre Gäste – sind es hauptsächlich Einheimische?
Wir haben viele Münchnerinnen und Münchner zu Gast, aber es kommen auch Leute aus der ganzen Welt zu uns. Einmal saß ich mit meinem Mann im Flugzeug von New York nach München und wir kamen mit dem amerikanischen Paar neben uns ins Gespräch. Sie hatten eine Liste mit Restaurants, die sie in München besuchen wollten – und Madam Chutney stand auch darauf. Ich habe mich sehr darüber gefreut und ihnen erzählt: Ich bin Madam Chutney!
Was für ein Zufall! Gibt es noch so eine verrückte Geschichte, die Sie als Gastronomin erlebt haben?
Am Anfang waren unsere Speisekarten nicht laminiert, sondern nur aus Papier, und jede Woche waren einige von ihnen plötzlich verschwunden. Ich habe mir zunächst nichts dabei gedacht, bis ich Glückwünsche aus Indien zu meinem neuen Lokal bekommen haben, das eigentlich gar nicht meines war! Jemand hatte das selbe Konzept unter dem selbem Namen eröffnet. Dass Restaurants meine Speisekarte übernommen haben, ist mir tatsächlich mehr als einmal passiert – manchmal sogar mit denselben Schreibfehlern. Wenn bei uns ein 'R' fehlte, war es dort genauso. Wirklich lustig – und auch ein tolles Kompliment für Madam Chutney. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich meinen Teil dazu beigetragen habe, die indische Gastronomieszene in München und darüber hinaus zu verändern!
Wir haben auch viele Gäste aus Indien – und bekommen von ihnen das Feedback, dass unser Butter Chicken sehr authentisch schmeckt.
Gibt es ein Gericht bei Madam Chutney, das besonders oft bestellt wird?
Unsere Gerichte sind zum Teilen gedacht, also ermutige ich unsere Gäste immer, mehr als ein Gericht zu bestellen, aber das Butter Chicken ist und bleibt das beliebteste. Wir haben auch viele Gäste aus Indien oder solche, die oft nach Indien reisen – und bekommen von ihnen das Feedback, dass unser Butter Chicken sehr authentisch schmeckt. Viele von ihnen sagen, Madam Chutney fühle sich an, als kämen sie nach Hause. Unser Rezept wurde von einem berühmten Restaurant in Alt-Delhi inspiriert, das behauptet, das Original Butter Chicken im Jahr 1947 erfunden zu haben.
Haben Sie auch ein eigenes Lieblingsgericht im Restaurant?
Ein sehr einfaches Gericht, ein Kichererbsencurry, aber es weckt in mir immer ein wenig Nostalgie, weil ich es früher in Indien gerne gegessen habe. Ich mag die Einfachheit dieses Gerichts sehr. Dazu gibt es viele kleine Beilagen wie eingelegtes Gemüse, Zwiebeln und gebratene grüne Chili.
Indien ist lebendiger – das vermisse ich definitiv. Überall die großen Fernseher mit Musikvideos, das Tanzen, alles ist so bunt.
Was kann man nur bei „Madam Chutney“ essen und nirgendwo sonst in München?
Meine Küche ist wie ein Labor für mich, ich versuche immer, neue Dinge zu kreieren, aus Zutaten, die ich schon lange kenne – wie das Paan-Eis. In Indien isst man Paan-Blätter als Munderfrischer nach dem Essen. Ich war sehr neugierig, wie man die Blätter noch verwenden kann. Zuerst dachte ich, ich mache einen Milchshake daraus, und dann habe ich es mit jeder Menge Eis, kandierten Fenchel und Honig-Rosen-Marmelade kombiniert. Soweit ich weiß, sind wir das einzige Restaurant, das dieses Dessert auf der Karte hat.
Abgesehen vom Essen – was vermissen Sie noch an Indien?
Indien ist lebendiger – das vermisse ich definitiv. Überall die großen Fernseher mit Musikvideos, das Tanzen, alles ist so bunt. Und natürlich vermisse ich meine Familie und meine Freunde. Es dauert eine Weile, bis man sich mit Deutschen anfreundet, aber wenn man es einmal geschafft hat, ist die Freundschaft beständig. Die Deutschen brauchen auch eine Weile, bis sie dich zu sich nach Hause einladen – man muss sich erst ein paar Mal treffen, bis sie dir vertrauen. In Indien ist das ganz anders: Du triffst jemanden auf der Straße und lädst ihn sofort zu dir nach Hause ein! Aber im Moment fühlen sich beide Orte wie ein Zuhause an. Wenn ich in München bin, vermisse ich Indien, und wenn ich in Indien bin, möchte ich zurück nach München. Ich bin gesegnet, zwei Orte zu haben, die ich mein Zuhause nennen kann.
Was mögen Sie heute an München?
Ich mag Knödel und Spätzle. Mein Mann kocht das manchmal für mich. Und ich mag auch Weißwurst mit Senf und Breze. Ansonsten ist München sehr sicher, sauber, schön und kulturell vielfältig. Ich liebe die Weihnachtsmärkte, alle deutschen Feste, aber ich wünschte, es gäbe auf den Weihnachtsmärkten ein bisschen mehr Hintergrundmusik, so wie in Indien.