Münchens Sterneküchen sind genauso bunt wie die Viertel selbst. Wir treffen die Spitzenköch*innen dort, wo sie selbst gern Mittag machen. Diesmal: Stefan Barnhusen vom Mountain Hub Gourmet bei Schned´s Gourmet Grill in Eching zum Currywurstessen.
Der Küchenchef Stefan Barnhusen hat sich mit nur 34 Jahren schon zum zweiten Mal einen Stern erkocht. 2019 wurde Barnhusen im Restaurant Jellyfish in Hamburg ausgezeichnet, 2022 folgte dann der Stern in Mountain Hub Gourmet in München. Seit mittlerweile drei Jahren ist er nun in dem Fine-Dining-Restaurant im Hilton Munich Airport angestellt. Barnhusen ist in Nordrhein-Westfalen geboren, hat auf der ganzen Welt gearbeitet und wohnt mittlerweile in Eching. Von hier aus hat er nicht nur einen kurzen Arbeitsweg zum Flughafen, es gibt auch sehr gute Currywurst.
Die roten Schirme von Schned's Gourmet Grill leuchten durch das graue Echinger Industriegebiet. Hier reihen sich große Möbelhäuser an Trachten-Outlets, Fastfood-Ketten an Supermärkte. Und mittendrin befindet sich ein Imbiss, der nicht nur laut Radio Gong mit die beste Currywurst der Stadt macht. Das würde man nicht direkt erwarten im Industriegebiet eines Münchner Vororts, in einer Straße, die nicht nur Dieselstraße heißt, sondern auch genauso aussieht.
Wir bestellen Chilli- und Käsekrainer-Currywurst, dazu Pommes – alles schmeckt fantastisch. Die Pommes genau richtig kross, die Currywurst hat eine gute Konsistenz und geht nicht wie anderswo in der Soße unter. Die Würste werden nach eigener Rezeptur von einem österreichischen Metzger gemacht, die Currysoße vom Chef jeden Tag frisch gekocht. Hinter dem Imbiss stecken der Gourmet Koch Franz Schned und seine Eltern.
Stefan Barnhusen kennt Franz Schned schon viele Jahre, auch deshalb trifft man ihn hier öfter beim Currywurst essen. Auch Schned arbeitet als Koch, er und Barnhusen haben sich vor vielen Jahren im Drei-Sterne-Restaurant Überfahrt am Tegernsee kennengelernt, seitdem sind die beiden eng befreundet. Bevor Schned den Imbiss eröffnete, fragte er bei Barnhusen nach Rezept und Rat. Und als Barnhusen auf der Suche nach einem neuen Job war, erfuhr er wiederum von Schned, dass am Münchner Flughafen schon bald ein Fine-Dining-Restaurant eröffnen sollte.
Mittendrin befindet sich ein Imbiss, der mit die beste Currywurst der Stadt macht. Das würde man nicht erwarten im Industriegebiet, in einer Straße, die nicht nur Dieselstraße heißt, sondern auch genauso aussieht.
„Mit Franz verbindet mich eine tiefe Freundschaft. Wir sind unzertrennlich, auch weil wir uns in vielerlei Hinsicht ähnlich sind: Franz ist ein genauso leidenschaftlicher Koch wie ich, der für seine Arbeit brennt und es liebt, die Welt zu bereisen und immer wieder neue Eindrücke aus unterschiedlichen Kulturen kennenzulernen”, erzählt Stefan Barnhusen, während wir an den roten Stehtischen unsere Currywurst essen. Viele Jahre haben die beide in Schiffsküchen gearbeitet und dabei zahlreiche Kontinente bereist.
Barnhusen hat durch seine Arbeit auf den Kreuzfahrtschiffen viel gesehen: Er war er monatelange in Asien, Amerika und Australien unterwegs. Besonders beeindruckt habe ihn Singapur, erzählt er. „Als Koch macht man seine Stationen, solange man noch kein Küchenchef ist. Je mehr Restaurants man dabei kennenlernt, desto mehr kann man seinen eigenen Stil finden und desto größer wird auch das eigene Wissen.” Nach seiner Ausbildung zog Stefan Barnhusen 2008 zuerst einmal nach Hamburg, um dort im Sterne-Lokal Landhaus Scherrer zu arbeiten. Und genau zehn Jahre später ging es für ihn wieder zurück in die Hansestadt – für eine Stelle als Küchenchef im Restaurant Jellyfish und damit auch für den ersten Stern.
„Es ist wie beim Fußball. Wenn man in der Champions League mitspielen will, muss man alles geben und bereit sein, über seine Grenzen hinauszugehen. Da gibt es nur den Blick nach vorne – letztendlich will man ja gewinnen.”
Dazwischen lagen namenhafte Stationen in Deutschland wie das Luxushotel Bareiss in Baiersbronn, das Gästehaus Klaus Erfort in Saarbrücken oder das Restaurant Luce d'Oro im Schloss Elmau. Die Arbeit in Bayerns momentan einzigem Drei-Sterne-Lokal Überfahrt bezeichnet er im Nachhinein als lehrreiche Zeit: „Es ist wie beim Fußball. Wenn man in der Champions League mitspielen will, muss man alles geben und bereit sein, über seine Grenzen hinauszugehen. Da gibt es nur den Blick nach vorne – letztendlich will man ja gewinnen! Das erfordert nicht nur Leidenschaft und Talent, sondern vor allem Ehrgeiz, harte Arbeit, mentale Stärke und vollen Fokus.“
Und jeden Tag gewinnen, das möchte Barnhusen auch heute noch. Sein Tag im Restaurant startet zwischen zehn und elf Uhr – verhältnismäßig früh für ein Sterne-Restaurant, weil das Mountain Hub Gourmet zusätzlich zum Abendmenü drei Mal pro Woche einen Business Lunch anbietet. Das kleine Team ist dann mindestens bis Mitternacht im Lokal, also gerne einmal 14 Stunden. Dafür haben Barnhusen und sein Team zumindest eine Vier-Tage-Woche.
Nach einem Kaffee und den gelesenen Mails geht es für den Sternekoch direkt an das „Mise en Place”, an das Vorbereiten des eigenen Arbeitsplatzes, das Absprechen mit den einzelnen Küchenposten und dem Checken der angekommenen Ware. Im Gegensatz zu anderen Küchenchefs hat Barnhusen noch einen eigenen Posten in der Küche inne: Er kocht Fonds und Soßen, schmeckt jedes Gericht ab und arbeitet gemeinsam mit seinem Team wie nebenbei noch täglich an neuen Gerichten für das wechselnde Menü. Nächste Woche fliegt Barnhusen außerdem an die Algarve, um dort mit anderen Sterneköch*innen für 50 Gäste zu kochen.
„Man setzt sich jeden Tag auf's Neue unter einen athletischen Druck im positiven Sinne, läuft sich warm, bevor die Gäste kommen und gibt dann richtig Vollgas, bis der letzte Gang die Küche verlässt. Adrenalin pur!“
Wer keine Lust auf Stress und ein hohes Arbeitspensum hat, entscheidet sich wohl nicht für diesen Beruf. Aber Barnhusen wusste genau, was ihn erwartet: „Das Gefühl nach einem richtig sportlichen Abendservice ist einfach unbeschreiblich. Man setzt sich jeden Tag auf's Neue unter einen athletischen Druck im positiven Sinne, läuft sich warm, bevor die Gäste kommen und gibt dann richtig Vollgas, bis der letzte Gang die Küche verlässt. Adrenalin pur!“ In seiner Zeit auf dem Schiff habe er einmal acht Monate und 23 Tage durchgearbeitet, erzählt er. Aber danach sei er dann wirklich urlaubsreif gewesen.
Seine Ausbildung machte Barnhusen in einer Sportklinik. Sternelokale gab es damals nicht in der Gegend rund um Warstein oder zumindest kannte Barnhusen keine. „Meine ersten Berührungspunkte mit der Spitzengastronomie hatte ich bei einem Praktikum in einem gehobenen Restaurant. Als ich gesehen habe, wie akribisch dort gearbeitet wird, wie die Teller angerichtet werden und was man aus den Lebensmitteln geschmacklich alles herausholen kann, wusste ich sofort, wo meine berufliche Reise hingehen wird“, erzählt er begeistert.
„Meine ersten Berührungspunkte mit der Spitzengastronomie hatte ich bei einem Praktikum. Als ich gesehen habe, wie die Teller dort angerichtet werden, wusste ich sofort, wo meine berufliche Reise hingehen wird.“
Mittlerweile bildet er auch selbst aus, um diese Faszination an junge Köche weiterzugeben: „Ich bin der Meinung, dass man als Küchenchef auch aufgefordert ist, sich um den Nachwuchs zu kümmern. Sich nur zu beschweren, dass es an Fachkräften fehlt, ist einfach zu wenig und wird das Problem nicht lösen.“ Wichtig ist ihm in der Küche, dass es keinen Konkurrenzkampf untereinander gibt, dass man miteinander und nicht gegeneinander arbeitet. Vertrauen und Ehrlichkeit werden groß geschrieben bei Barnhusen.
Das Mountain Hub Gourmet ist das einzige Sternerestaurant an einem deutschen Flughafen. Der klare Vorteil: Man kann sich Lebensmittel aus der ganzen Welt frisch einfliegen lassen. Barnhusens Küche ist auch gerne regional, aber in erster Linie geht es ihm um die Produkte: „Wenn der Blumenkohl 50 Kilometer weiter besser ist, dann kaufe ich natürlich dort ein. Für mich steht die Qualität der Ware an erster Stelle.” Im Herbst 2022 finden sich auf der Karte: ein Reh vom Gutshof Polting aus Niederbayern, genauso aber auch ein Loup de Mer aus Frankreich und Schokolade aus dem Kongo.
Ein Saiblingstartar zu einer Kugel geformt mit geeisten Meerrettich-Perlen, einer Kräuteremulsion und etwas Zitrus. Das Ganze wird auf einem gläsernen Teller serviert, was es noch spektakulärer aussehen lässt.
Einen persönlichen Lieblingsgang hat Barnhusen in seiner Küche nicht. Jedes Gericht hat seine eigene Intensität und Berechtigung im Menü, sonst würde er es den Gästen nicht servieren. Allerdings gibt es ein Gericht, das von den Gästen so häufig nachgefragt wurde, dass man es schon als „Signature Dish” beschreiben könnte: ein Saiblingstartar zu einer Kugel geformt mit geeisten Meerrettich-Perlen, einer Kräuteremulsion und etwas Zitrus. Das Ganze wird auf einem gläsernen Teller serviert, was es noch spektakulärer aussehen lässt.
Ich bin zum Business Lunch dort – mittags gibt es vier Gänge mit Kaffee und Wasser zu einem fairen Preis. Der Loup de Mer wird mit Aal, Birne, Bohne und Lardo serviert, das bayerische Reh mit Pistazie, Cassis und Rote Beere. Die Gerichte sind allesamt frisch und gleichzeitig sehr tief im Geschmack. Die Jus beim Reh ist perfekt – dickflüssig, intensiv, glänzend. Alle Soßen von Barnhusen sind so fantastisch, dass man nichts übrig lassen möchte. Auch, wenn das im Sternelokal vielleicht verpönt ist, aber ich kann nicht anders, als den letzten Rest mit einem Stück Brot aufzutunken.
Alle Soßen von Barnhusen sind so fantastisch, dass man nichts übrig lassen möchte. Ich kann nicht anders, als den letzten Rest mit einem Stück Brot aufzutunken.
Auf den ersten Blick kann man die Küche von Barnhusen nicht in eine Schublade stecken, sie ist weder klassisch französisch noch betont alpenländisch. Selbst beschreibt Stefan Barnhusen seinen Küchenstil als weltoffene „Impressive Expressive Cuisine“: Gerichte voller kulinarischer Eindrücke von seinen Reisen um die Welt, die in ihrem Geschmack rund und kraftvoll sind. „Umami“, der fünfte oder auch „der runde Geschmack“ genannt, steht bei Barnhusen im Vordergrund, wird aber auch optisch in Form von kugelförmigen Kreationen sichtbar.
Früher hatte Barnhusen immer schon die nächsten zwei Stationen im Kopf, aber nun ist er angekommen – in München und im Mountain Hub Gourmet. Der Job im Restaurant macht ihm auch deshalb so großen Spaß, weil er kreativ arbeiten kann. Er erzählt mir, dass man als Koch immer auf der Suche ist nach einer Plattform, auf der man sich ausleben kann. Der Weltenbummler ist zum sesshaften Sternekoch geworden. „Ich weiß gar nicht, wie oft ich schon umgezogen bin. Wenn man immer nur kurz irgendwo ist, richtet man seine Wohnung auch gar nicht mehr ein. Jetzt möchte ich endlich einmal bleiben!”
Stefan Barnhusen hat das Mountain Hub Gourmet zum Jahreswechsel 2023 verlassen.