Wie riecht München? Und was würde passieren, wenn man diesen Duft einfangen und mit einem Flakon umhüllen würde? Würde es ein wenig nach Weißwurst und Breze riechen? Nach Hopfen und Malz? Oder nach Isar und warmen Föhnwinden? Ursula Lengling hat tatsächlich ein München-Parfüm kreiert. Wir haben mit ihr gesprochen: über Inspiration, Duftbilder und den langen Weg bis zum perfekten Ergebnis.
Auch in München gibt es ein Parfümhaus, das anspruchsvolle, aufwendige und hochwertige Düfte herstellt. Das Maison Lengling. Seinen Sitz hat das inhabergeführte Unternehmen direkt an der Frauenkirche. Seit 2015 verkaufen Ursula und Christian Lengling ihre eigenen Parfüms an exklusive Parfümerien im In- und Ausland, aber seit drei Jahren auch hier vor Ort in der eigenen Parfum Boutique am Dom. Echte Parfüms, bei denen der Anteil der Duftöle bei bis zu 30 Prozent liegt. Bei Eau de Toilette liegt er zum Vergleich bei höchstens acht Prozent, bei Eau de Cologne nur bei drei bis fünf Prozent.
Von Ursula Lengling, der Kreativchefin des Unternehmens, wollen wir wissen, was für sie ein typischer München-Duft ist und wie für sie die Stadt riecht. Sie erzählt es uns in den ganz in Weiß gehaltenen Büroräumen von Lengling, die sich oberhalb der Boutique befinden.
Frau Lengling, Sie haben in Ihrer Auswahl ein Parfüm, das Sie als Ihren München-Duft bezeichnen. Es heißt Eisbach. Warum?
Es ist eine Liebeserklärung an einen Ort, den mein Mann und ich seit unserer Jugend sehr gerne mögen. Die Gegend um die Eisbachwelle besticht durch ihre Gegensätze. Eigentlich ist es dort am Zugang zum Englischen Garten ruhig, aber es rauscht auch mit voller Power die Eisbachwelle gleich in der Nähe. Nicht weit davon herrscht wiederum tiefe Stille, beim japanischen Teehaus, das Japan der Stadt zu den Olympischen Spielen 1972 geschenkt hat. Unsere Verbindung zu Japan ist eng.
Inwiefern?
Mein Mann wurde dort geboren und hat seine ersten Lebensjahre dort verbracht. Wir haben das Land intensiv bereist. Ich wollte diese beiden Pole, die Kraft der Welle und die Stille des Teehauses in diesem Duft einfangen. Energie und Ausgeglichenheit sollten in Balance sein.
Wie haben Sie diese Pole mit Düften nachgezeichnet?
Für den dynamischen Part habe ich zitrische Noten gewählt, in unserer Branche nennt man sie Hesperiden, die verleihen einem Parfüm Frische und Energie. In der Komposition befinden sich verschiedene von ihnen, etwa Bergamotte aus Italien, Limette und Grapefruit. Hinzu kommen noch Cassis und die spritzige Mimose, die ein wenig an Gurke erinnert.
Für den ruhigen Gegenpart haben wir dann erdende Noten gewählt. Zum Beispiel ein Absolue von grünem Tee, ein besonders hochwertiges natürliches Parfümöl, das wir direkt aus Japan beziehen. Diesen herben Duft haben wir mit Kräutern kombiniert, etwa Basilikum oder Lavendel, der eine beruhigende Wirkung hat. Insgesamt befinden sich in diesem Parfüm über 50 verschiedene Öle in unterschiedlichen Konzentrationen.
Wie finden Sie heraus, in welcher Konzentration welcher Duft vorhanden sein muss?
Das muss ich dann im Prozess herausfinden, das ist ein bisschen Trial and Error. Aber man kann schon sagen, dass zitrische Duftstoffe höher konzentriert sein sollten, weil sie eher flüchtig sind. Dafür nehme ich dann vielleicht eine schwere Holznote mehr zurück. Irgendwann unterscheiden sich die Varianten nur noch in Nuancen, ich lasse meine Intuition sprechen.
Das Parfüm ist eine Liebeserklärung an einen Ort, den mein Mann und ich seit unserer Jugend sehr gerne mögen. Die Gegend um die Eisbachwelle besticht durch ihre Gegensätze.
Um einen Duft zu entwickeln, muss man wissen, welchen Charakter er letztlich haben, welche Assoziationen er wecken soll. Woher wissen Sie das am Anfang des Prozesses?
Ich habe früher viel gemalt, und wie bei einem Bild beginnt auch die Gestaltung eines Duftes im Kopf. Es ist eine Inspiration, ein Gefühl, die Erinnerung an eine bestimmte Stimmung, für die ich ein Duftbild zeichne, das aber nur in meinem Kopf existiert. Das ist die Basis, es kann etwa eine warme Sommernacht in Andalusien unter einem unglaublich klaren Sternenhimmel sein, zu dem wir verliebt nach oben blicken. Das war die Stimmung, die ich mit unserem ersten Duft El Pasajero, der Reisende, festhalten wollte. Ich kann so ein Duftbild jedes Mal auch schon riechen, doch es existiert bis dahin nur in meinem Kopf.
Wie kommen Sie aus Ihrem Kopf in das Stoffliche?
Dann geht es an die Umsetzung, an die Übersetzung in die Materie. Das ist ein langer Prozess. Zuerst muss ich unserem Team mein Duftbild olfaktorisch beschreiben. Ich bestimme die wichtigsten Öle, die das Parfüm enthalten könnte, ich weiß sehr genau, welchen Duftcharakter bestimmte Mischungen entfalten. Die Richtung ist also vorgegeben, die Hauptkomponenten definiere ich. Doch das ist erst mal ein grober Entwurf, denn ein Duft hat bei uns 50 bis 70 Komponenten, die kann ich nicht alle vorbestimmen.
Mein Team versucht dann, meiner Inspiration und meinem Briefing so gut es geht zu folgen. Bis dann irgendwann das fertige Bouquet da ist, das meinem Duftbild gleicht. Während dieses Prozesses darf mir übrigens niemand, außer mein Mann, sagen, wie er einen bestimmten Geruch empfindet. Das würde mich durcheinanderbringen und ich würde eventuell den vorgegebenen Pfad verlassen, und dann wäre alles dahin. Es ist ein einsamer Weg, den ich nur mit Christian gehe.
Ich habe früher viel gemalt, und wie bei einem Bild beginnt auch die Gestaltung eines Duftes im Kopf. Es ist eine Inspiration, ein Gefühl, die Erinnerung an eine bestimmte Stimmung, für die ich ein Duftbild zeichne, das aber nur in meinem Kopf existiert.
Klingt langwierig.
Hinter jedem Parfüm steht eine lange Zeit des Experimentierens, hin und wieder auch des Neuanfangens, der langsamen Annäherung an die ursprüngliche Inspiration. Das kann Jahre dauern.
Dafür sind Ihre Düfte dann aber auch auffallend anders und außergewöhnlich. Was unterscheidet sie von Mainstream-Parfüms?
Sie sind extremer, ungewöhnlicher, sie sollen polarisieren, wir möchten sie nicht glattbügeln und einem Massengeschmack anpassen. Sie sollen für etwas stehen, so wie eben das Eisbach-Parfüm für München. Wie die Leute hier ist es einerseits klar heraus und voller Temperament, gleichzeitig ist es aber auch ruhig und entspannt. Der Duft ist hier verwurzelt, so wie wir und unser Unternehmen.
Woran merkt man das noch?
Unser Bezug zu München zieht sich bis ins Design des Flakons. Der Deckel ist die exakte Kopie eines Isarkiesels, den wir vor Jahren mal am Fluss gefunden haben, seine Form schmeichelt der Hand wunderbar. Vieles beziehen wir aus der Region, etwa das Papier für unsere Verpackungen. Es kommt aus Gmund am Tegernsee. Die Öle allerdings kommen aus der ganzen Welt. Sie sind allesamt extrem hochwertig, manche kosten mehrere tausend Euro pro Kilo. Eleganz, hohe Qualität, aber eben auch Regionalität sind uns sehr wichtig. Es sind Eigenschaften, die zu München und zu uns passen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Lengling!
Gut zu wissen: In München findet man noch weitere Geschäfte mit Düften abseits des Massengeschmacks. Etwa bei Ludwig Beck am Rathauseck, der Parfümerie Brückner am Marienplatz oder Parfums uniques in der Klenzestraße. In den meisten von ihnen sind auch die Düfte von Lengling erhältlich. Wenn man den Eisbach nicht nur anschauen, sondern auch auf der Haut mit nach Hause nehmen möchte, dann lohnt sich ein Besuch dort sicher.