Der Mythos Ludwig II. und seine Verehrung der französischen Herrscher des Absolutismus sind legendär. Kurfürstin Henriette Adelaide von Savoyen brachte jedoch schon vorher im 17. Jahrhundert den Glanz Frankreichs und Italiens an den Münchner Hof. Ein Report.
Jenes glanzvolle Kapitel verdanken wir Henriette Adelheid Maria von Savoyen, Prinzessin von Savoyen-Piemont. Sie kam aus einem Reich zwischen Genfer See und Mittelmeer, regiert von ihrer Mutter Christina de France. Diese wiederum war die Tochter von Frankreichs König Heinrich IV. und Maria de Medici, Powerfrau aus Florenz.
Adelheid wuchs am Turiner Hof in der perfekten Symbiose aus Dolce Vita und Savoir-vivre auf: Ballett, Malereitrends aus Paris und die Förderung der französischen Architektur in Italien waren Hauptanliegen der Mutter. Ebenso die Verheiratung Adelheids mit Ludwig XIV., dem späteren Sonnenkönig himself. Das klappte aber nicht. Am Ende wurde es Ferdinand Maria von Bayern.
Adelheid und Ferdinand heirateten 1650. Zuvor hatte Ferdinands Vater, Kurfürst Maximilian I., einen Spion zum Gesichts-Check nach Turin geschickt.
Adelheid und Ferdinand heirateten 1650. Zuvor hatte Ferdinands Vater, Kurfürst Maximilian I., einen Spion zum Gesichts-Check nach Turin geschickt: Ferdinando Egartner (Deckname Aloise Rizzi) berichtete von Adelheids legendärer Schönheit – und der Deal war gemacht. Als Maximilian I. schon ein Jahr später starb, wurde der erst 15-jährige Ferdinand Thronfolger. Und Adelheid Kurfürstin von Bayern.
Von Turin reiste die Prinzessin mit einem Tross von 336 Pferden, 350 Packwagen und einer mittelgroßen Armee Bediensteter an. Die Hochzeit fand am 25. Juni 1652 in der Hofkapelle statt. Dann begann für München eine besondere Zeit: eine Phase nahezu größenwahnsinniger, italo-frankophiler Herrlichkeit nämlich. Denn Adelheid kuratierte den Münchner Hof als zweites Turin – sprich: als kleines Versailles.
Eine Phase nahezu größenwahnsinniger, italo-frankophiler Herrlichkeit: Adelheid kuratierte den Münchner Hof als zweites Turin – sprich: als kleines Versailles.
Rauschende Feste, High Society und ein unnachahmlicher Kulturtransfer aus Frankreich und Italien hielten Einzug in München. In der Residenz, dem immerhin größten Innenstadtschloss Deutschlands, verewigte sich Adelheid mit Umbauten nach Pariser Mode. Sie brachte den Hochbarock, die Komödie und die italienische Oper in die bayerische Hauptstadt. In ihrem Auftrag entstanden die Theatinerkirche und Schloss Nymphenburg, letzteres nach Vorbild eines piemontesischen Jagdschlosses mit französischer Gartenanlage.
Ein sonnenköniggleiches Spektakel gelang ihr am Starnberger See – damals noch Würmsee. Zur Geburt ihres Sohnes, des Thronfolgers Max Emanuel, ließ sie sich nach dem Vorbild des Staatsschiffes der venezianischen Dogen ein 29 Meter langes und über acht Meter breites kitschtriefendes Riesenschiff mit Delfin- und Nixenbemalung bauen. Der sogenannte Bucentaur war ein schwimmendes Jagdschloss, von dem aus die Gesellschaft auf Horden von Hirschen schoss, die extra dazu an den See getrieben wurden. Hernach Party.
Nur auf den ersten Blick kontrastreich wirkt zu diesem Pomp Adelheids starker Katholizismus – eine frühe Form des kosmopolitischen Glamours, der sie auf zahlreiche Städtetrips mit Ferdinand und dem Hoftross führte. Die beiden brachten es auf eine Papst-Audienz in Rom, eine Blutweihe in Altötting, eine eigene Adelheid-Quelle in Heilbrunn und die Gründung eines reichlich obskuren „Ordens der Sklavinnen Mutter Gottes“, der mit dem Tod Adelheids 1676 in den Annalen verschwand.
Dank Adelheid ist München heute die nördlichste Stadt Italiens, die östlichste Stadt Frankreichs und die einzige Stadt Deutschlands, die darin keinerlei Widerspruch sieht.
Adelheids Todesursache war eine Erkältung, die sie sich barfuß beim Retten ihrer Kinder bei einem verheerenden nächtlichen Brand in der Residenz zugezogen und nie kuriert hatte. Unsterblich war dagegen ihr Wirken. Dank Adelheid ist München heute die nördlichste Stadt Italiens, die östlichste Stadt Frankreichs und die einzige Stadt Deutschlands, die darin keinerlei Widerspruch sieht.
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