München ist geprägt von außergewöhnlichen Frauen. Wir stellen einige von ihnen vor. Dieses Mal: Maike Menzel, Küchenchefin im Sterne-Restaurant Schwarzreiter. Wir wollten von ihr wissen: Worauf achtet man als Spitzenköchin eigentlich, wenn man im Alltag zum Essen geht? Menzel befindet sich seit Mitte Februar 2021 im Mutterschutz.
Ein Raunen ging durch die gastronomischen Kreise der Stadt, als die Entscheidung bekannt gegeben wurde. Das Schwarzreiter, das Sterne-Restaurant im Hotel Vier Jahreszeiten Kempinski, bekommt eine neue Küchenchefin. Korrekt: eine neue Küchenchefin. Sie ist die erste Frau, die in München ein Sterne-Restaurant leitet. Dass sie mit 29 Jahren auch noch vergleichsweise jung ist, machte die Sensation perfekt.
Ihre bayerische Herkunft – Menzel wuchs am Ammersee auf – merkt man der Küchenchefin an. Sie kocht international, hat jedoch eine spezielle Vorliebe für „Young Bavarian Cuisine“. Die gibt es bei unserem Treffen jedoch nicht – stattdessen traditionelle bayerische Küche. Wir treffen wir uns im Sedlmayr, einem der liebsten Wirtshäuser Menzels in München.
Ich half schon früh in der Küche mit, auch später immer in den Ferien. Und wie alle Kinder liebte ich die einfachen bayerischen Klassiker: Knödel, Kaiserschmarrn, Breze.
Wieso treffen wir uns gerade hier?
Ich mag dieses Wirtshaus sehr gerne. Ich war schon als Kind mit meinem Vater öfter hier, vor allem zur Faschingszeit. Und dann kenne ich das Wirtshaus auch noch gut aus meiner eigenen Lehre. Ich habe im Blauen Bock gelernt, nicht weit von hier entfernt. Wir trafen uns hier gelegentlich zum Weißwurstessen.
Sie sind also tief verwurzelt in der bayerischen Küche?
Das kann man schon so sagen. Ich wurde zwar in Neuss geboren, kam aber schon als kleines Kind an den Ammersee. Mein Vater arbeitet dort als Koch. Ich half schon früh in der Küche mit, auch später immer in den Ferien. Und wie alle Kinder liebte ich die einfachen bayerischen Klassiker: Knödel, Kaiserschmarrn, Breze.
Was wollen Sie denn heute essen?
Ich werde aus Nostalgie Weißwürste bestellen. Ich weiß, dass der Koch sie immer frisch holt und dass sie sehr gut sind.
Und was empfehlen Sie mir?
Ich würde zum Schweinsbraten raten. Es würde mich wundern, wenn der hier nicht gut wäre.
Gut. Auf der Karte stehen ja auch noch ausgefallenere Dinge wie Kälberfüße.
Ja, ich weiß. Die gehören ja fest zur bayerischen und vor allem zur Münchner Küche – und die bekommt man immer seltener.
Zu sehen, wie die japanischen Köche mit maximaler Präzision und Hingabe einen Fisch filetierten oder eine Gurke schälten, das war sehr beeindruckend.
Wäre das auch was für Sie?
Ehrlich gesagt nicht. Vor kurzem habe ich ein gegrilltes Kalbsherz gegessen. Das war sehr gut, ein bisschen wie Zunge. Aber Innereien sind nichts für mich.
Wir bestellen. Schon nach kurzer Zeit kommen die Weißwürste.
Guten Appetit! Fühlen Sie sich in ihre Lehrzeit zurückversetzt?
Ja, die Würste sind noch immer sehr gut. Dazu süßer Senf und eine Breze. Das ist ideal für den Vormittag.
Ab wann wussten Sie, dass Sie kochen wollen?
So richtig dafür entschieden habe ich mich erst nach der Schule, als ich überlegt habe, welche Lehre ich machen möchte. Aber dann merkte ich schnell, dass mir das liegt.
Sie kochten sich dann durch die unterschiedlichsten Restaurants Münchens.
Mein Weg war nicht wirklich geplant. Oft sind es ja Zufälle, die den nächsten Karriereschritt bestimmen – ich bin oft durch Empfehlungen zu neuen Stellen gekommen. Nach meiner Lehre im Blauen Bock wollte ich mich weiterentwickeln und fing im Theresa an, die auf Grillspezialitäten fokussiert sind. Danach ging ich in das Occam Deli. Das war für mich eine Herausforderung, denn dort wird jüdische Küche mit orientalischem Einschlag gekocht – ich hatte mit vielen Gewürzen zu tun, die ich einfach noch nicht kannte. Sehr prägend war auch die Zeit im Emiko, dem Restaurant des Louis Hotel.
Das berühmte japanische Restaurant am Viktualienmarkt.
Ja. Hier kam ich mit der japanischen Art des Kochens in Berührung. Zu sehen, wie die japanischen Köche mit maximaler Präzision und Hingabe einen Fisch filetierten oder eine Gurke schälten, das war sehr beeindruckend.
Der Schweinebraten wird serviert.
Ah, da kommt mein Schweinebraten. Was sagen Sie dazu?
Die Soße schaut schon mal sehr gut aus. Nicht zu dunkel, das heißt, sie kommt nicht aus der Tube. Das Fleisch schaut mürbe aus, das ist wichtig beim Schwein. Generell ist Schwein ja ein sogenanntes schwieriges Fleisch.
Die meiste Arbeit, sagen wir 80 Prozent, findet im Kopf statt. Man kombiniert ständig Zutaten, Geschmäcker und Zubereitungsarten. Erst, wenn man damit geistig durch ist, macht man sich ans Kochen.
Wieso?
Das hat viele Gründe. Zum einen weiß man, dass Schweine, wie auch Puten, oft mit Antibiotika behandelt werden. Dann aber auch das Fleisch selbst: Es hat einen festen Biss. Das mag man heute nicht mehr so gern. Und es schmeckt rezenter. Auch das mögen heute nicht mehr viele.
Bieten Sie im Schwarzreiter Schwein an?
Ja, aber nur von ausgesuchten Lieferanten. Und es wird nicht klassisch zubereitet. Wir nehmen einen Schweinebauch, und legen den, vakuumiert mit Kräutern, für mindestens vier Stunden ins Sous-vide-Becken. Die Schwarte schneiden wir ab und puffen sie – die wird dann von der Struktur her wie der Knabber-Snack „Pom-Bär“. Dazu gibt es Weißkraut, das eingelegt ist wie koreanischer Kimchi, Pflaume und Topinambur.
Wie erfinden Sie eigentlich Rezepte?
Die meiste Arbeit, sagen wir 80 Prozent, findet im Kopf statt. Man kombiniert ständig Zutaten, Geschmäcker und Zubereitungsarten. Erst, wenn man damit geistig durch ist, macht man sich ans Kochen und schaut, ob das auch in echt so schmeckt, wie man sich das vorgestellt hat.
Was war das letzte Gericht, das Sie sich ausgedacht haben?
Das steht ganz neu auf der Karte. Bayerische Garnele mit schwarzem Knoblauch und Mais. Schwarzer Knoblauch wird im Ganzen fermentiert und schmeckt nicht so scharf wie frischer, dafür hat er einen sehr eigenen, süßlichen Geschmack. Das passt sehr gut zu der bayerischen Garnele, die sehr weich und cremig ist.
Worauf kommt es Ihnen beim Kochen an? Was ist Ihre Philosophie?
Das mag jetzt etwas banal klingen. Aber hauptsächlich geht es darum, dass man präzise arbeitet. In so einer Küche wie der unseren geht es oft sehr stressig zu. Da heißt es, ruhig zu bleiben.
Wir arbeiten sehr konzentriert. Ich kümmere mich um die, die meine Hilfe brauchen, meist die Lehrlinge. Grundsätzlich bin ich fair, fordere aber auch Respekt.
Was ist das Schlimmste, das passieren kann?
Der Knackpunkt ist immer das gebratene Fleisch. Wenn das fertig ist, muss es aus der Pfanne, kurz ruhen und dann serviert werden. Wenn dann die Beilagen nicht bereit sind, hat man ein Problem. Der Worst Case ist, dass man nochmal neu braten muss. Dann dauert es nochmal mindestens zehn Minuten. Dafür haben die Gäste kein Verständnis, zu Recht. In unserer Küche gibt es nun dreißig Gerichte, das muss alles getimt werden.
Oft hört man ja von dem harschen Ton, der aus diesem Grund in guten Küchen herrscht.
Ja, das Klischee gibt es. Wir arbeiten sehr konzentriert. Ich kümmere mich um die, die meine Hilfe brauchen, meist die Lehrlinge. Grundsätzlich bin ich fair, fordere aber auch Respekt. Respekt vor der Rolle, die ich innehabe. Respekt aber vor allem vor dem Produkt.
Wobei würde Ihnen der Geduldsfaden reißen?
Ich mag es nicht, wenn etwa ein Fischfilet auf das nächste Arbeitsbrett geworfen wird. Da geht es nicht um Hygiene, sondern um Respekt vor Lebensmitteln. Das lernte ich bei den japanischen Köchen. Aber auch mein Vater kocht mit viel Achtsamkeit. Kochen hat mit Konzentration zu tun.
Was gab Ihnen Ihr Vater noch mit auf den Weg?
Das waren keine konkreten Ratschläge und auch keine Rezepte. Eher eine Beobachtung: Ich sah, dass man als Küchenchef eine ruhige, freundliche Autorität braucht. Das entspricht meiner Persönlichkeit, und so fühlte ich mich der Stelle im Schwarzreiter auch sofort gewachsen. Zumal ich ja schon vorher da arbeitete und die Abläufe genau kannte.
War Ihr Vater schon mal bei Ihnen im Restaurant?
Natürlich. Und er ist sehr stolz. Er aß mehrere Gänge und fand alles sehr gut. Nur die Nachspeise rührte er nicht an. Aber das macht er nie.
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