Der Alte Simpl war die bekannteste Künstlerkneipe Münchens und Treffpunkt der Schwabinger Bohème. Joachim Ringelnatz, Oskar Maria Graf und Franziska von Reventlow feierten hier ausschweifende Nächte. Seinen Namen und das Bulldoggen-Logo hat das Lokal von der Satirezeitschrift „Simplicissimus“.
Der Charme der alten Zeit ist geblieben. Überall an den Wänden des Alten Simpl erinnern Fotos an Joachim Ringelnatz, Karl Valentin und Liesl Karlstadt, die hier auf der Bühne standen. Auf Schwarz-Weiß-Bildern prosten sich Männer mit Schnauzbart und Fliege und Frauen in Seidenblusen und schweren Karoröcken zu. Künstler wie Ludwig Thoma, Oskar Maria Graf, Franz Marc und Franziska von Rewentlow feierten an der langen Theke zwischen der dunklen Holzvertäfelung an den Wänden ausschweifende Feste. Bei Wein und Bier wurde diskutiert und inspiriert wie nirgendwo sonst in der Stadt.
Ringelnatz dichtete: „Und mich zieht’s mit Geisterhänden, ob ich will, ob nicht, ich muss, nach den bildgeschmückten Wänden, in den Simplicissimus.“ Diese Anziehungskraft reichte quer durch die europäischen Länder bis nach Amerika. Menschen reisten nach München, um das Flair im Simpl zu erleben, wo spontan junge Kunstschaffende zur Laute oder zum Klavier sangen, Zauberer auftraten, professionell Theater gespielt oder wild getanzt wurde. Die Dichter der Schwabinger Bohème stellten dem literarisch interessierten Publikum ihre neuen Texte vor.
Seinen Anfang nahm alles in der Walpurgisnacht des Jahres 1903. Die Wirtin Kathi Kobus eröffnete unter viel Aufsehen ihre neue Kneipe an der Türkenstraße in der Maxvorstadt. Mit dem Vermieter ihres alten Lokals „Die Dichtelei“ wenige Meter weiter an der Adalbertstraße war sie im Streit auseinandergegangen. Und sie ging nicht allein: Zahlreiche Stammgäste marschierten mit, trugen Stühle und Tische hinüber, vorneweg Frank Wedekind mit der Gitarre. Der Umzug wurde zum Straßenfest. Es folgte die erste von vielen legendären Nächten im Alten Simpl.
Kobus benannte die Kneipe nach der Satirezeitschrift „Simplicissimus“. Deren Redakteure und Künstler waren in München ansässig und auch gern zum Essen und Trinken im Simpl, etwa der Maler Thomas Theodor Heine. Er hatte für das Blatt die berühmte rote Bulldogge erfunden, die er extra für Kobus auf ein Wirtshausschild zeichnete. Der Unterschied: Der Hund im Kneipen-Logo sprengt nicht die Ketten der Zensur. Er köpft eine Sektflasche mit seinen Zähnen.
Im Jahr 1944 zerstörte eine Bombe das Gebäude. Und auch wenn am Platzl im Zentrum der Stadt wenig später ein „Neuer Simpl“ eröffnete: Die Atmosphäre des Originals in der Maxvorstadt blieb einmalig. Nach dem Wiederaufbau kamen vor allem Journalisten, Theater- und Filmleute in den Alten Simpl. Heute essen hier Studierende Burger und Pommes – doch der Geist von früher lebt.