Wie elegant ist eine Breze? Was macht den Charme einer Biergarnitur aus? Und was ist eigentlich das Besondere an der Münchner Verkehrsschrift? Bekannte Münchner Design-Profis rezensieren für uns Alltagsgegenstände, die man in der Stadt ständig sieht.
Flaka Haliti (bildende Künstlerin)
„Ich habe die Breze erst kennengelernt, als ich von Frankfurt nach München kam. Ich mochte den leicht bitteren Geschmack ihrer Kruste, vor allem in Kombination mit scharfem Senf, was fantastisch zum Aperitif ist. Klar ist aber, dass die Breze viel mehr ist als nur ein Lebensmittel. Sie ist voll und ganz von ihrer Form bestimmt, was man etwa daran merkt, dass eine Brezensemmel etwas völlig anderes ist. Man kann sich die Breze als Brille vors Gesicht halten, umgedreht schaut sie aus wie ein böser Smiley. Anthropomorph sind auch die Schlingen der Breze. Tatsächlich ist eine der Erklärungen ihres Namens, dass dieser sich von lateinisch brachium, Arm, ableitet.
„Die beiden Schlaufen der Breze wirken wie verkreuzte Arme. Das gefällt mir. Es ist eine verneinende Geste, eine, die Freiraum gewährt und Bewegung ermöglicht.“
Die beiden Schlaufen der Breze wirken wie verkreuzte Arme. Das gefällt mir. Es ist eine verneinende Geste, eine, die Freiraum gewährt und Bewegung ermöglicht. All das ist die Breze, vor allem aber ist sie ein sehr kindliches Objekt. Eigentlich besteht sie nur aus lauter Henkeln. Sie ist eine Art essbares Steuerrad, dafür gemacht, dass Kinder sie gut greifen können. Vielleicht ist das der Grund, wieso alle Bayern ein so emotionales Verhältnis zur Breze haben.
Sie ist auch das einzige Lebensmittel, das ich kenne, das es aufgeblasen als Wasserspielzeug gibt. Seit ich einmal „Breze“ googelte, wird mir das auf Amazon ständig angeboten. Als ich die Form genauer betrachtete, fiel mir ein schöner Aspekt auf: Die Schwimmbreze besteht quasi aus drei verbundenen Schwimmreifen. So werden drei Personen in ein sehr intimes Verhältnis gedrängt. Nur die Breze schafft so etwas.“
Flaka Haliti ist bildende Künstlerin. Sie hatte zahlreiche internationale Ausstellungen, unter anderem gestaltete sie einen Pavillon auf der Biennale in Venedig.
Mirko Borsche (Grafikdesigner)
„In München gibt es sehr viele verschiedene Schrifttypen, die auf Straßenschildern zum Einsatz kommen. Eine der schönsten ist die Münchner Verkehrsschrift. Das ist eine Groteske, also eine Schrift ohne Serifen – eine Weiterentwicklung der Univers, einer der großen Grotesk Klassiker. Otl Aicher überarbeitete sie, ab Olympia 1972 kam sie zum Einsatz.
„In München gibt es sehr viele verschiedene Schrifttypen, die auf Straßenschildern zum Einsatz kommen. Eine der schönsten ist die Münchner Verkehrsschrift.“
Aicher ist einer der wichtigsten Grafikdesigner nach 1945, von ihm stammen etwa die ikonischen Darstellungen von Sportarten, die seit der Olympiade 1972 weltweit gebräuchlich sind. Er gestaltete auch das alte Logo des Münchner Flughafens, das in seiner Klarheit bis heute beeindruckend ist. Klar und modern ist auch die Münchner Verkehrsschrift. Sie erinnert an eine Zeit, als München noch fröhlich in die Zukunft blickte.“
Mirko Borsche ist Typograf und Grafikdesigner. Er ist einer der prominentesten Gestalter des Landes, unter anderem ist er Art Director des Zeit-Magazins.
Ayzit Bostan (Modedesignerin)
„Ich liebe den Willibecher. Ich habe auch nichts gegen den Maßkrug. Dessen Vertiefungen, ,Augen‘ genannt, geben ihm etwas Rustikales. Schön ist der Spruch, den man von alten Münchnern hört: ,Trinken wir noch ein Aug‘, also einen großen Schluck aus dem Maßkrug. Der Willibecher aber gefällt mir besser. Er ist das ideale Bierglas. In der Maß wird das Bier warm, auch aus dem Willibecher muss man es schnell trinken, aber das geht.
„Schön ist der Spruch, den man von alten Münchnern hört: ,Trinken wir noch ein Aug', also einen großen Schluck aus dem Maßkrug. Der Willibecher aber gefällt mir besser. Er ist das ideale Bierglas.“
Das Verhältnis von Bier zu Schaum, ich schätze 4/5 zu 1/5, ist so etwas wie der goldene Schnitt der Bierkultur. Vor allem aber zeichnet den Willibecher die elegante Verjüngung nach unten aus, der sanfte Schwung. Der Willibecher ist nicht konservativ, er fühlt sich immer leicht an und ist dabei doch bodenständig. Und nicht zuletzt der Name: Ich muss immer an Willi denken, den tollpatschigen Freund von Biene Maja. Den muss man lieben, und der ist auch gelb.“
Ayzit Bostan ist Modedesignerin und Professorin für Design textiler Produkte an der Kunsthochschule Kassel.
Stefan Diez (Produktdesigner)
„Die moderne Bierbank wurde nicht in München erfunden, ist hier aber, natürlich aufgrund der Wiesn, allgegenwärtig. Bei der Bierbank steht die Funktionalität voll im Vordergrund. Sie ist ein reines Normprodukt. Alles geht hier um das Thema Stapelbarkeit. Zusammengelegt nehmen Biergarnituren den denkbar geringsten Platz ein. Dazu passt, dass man auf ihnen auch die maximale Anzahl von Menschen unterbringen kann.
„Wie gut die Bierbank gestaltet ist, sieht man an ihrer Unsichtbarkeit. Bierbänke bemerkt man so wenig wie die einzelnen Nudeln in der Pasta, die man isst.“
Wie gut die Bierbank gestaltet ist, sieht man an ihrer Unsichtbarkeit. Bierbänke bemerkt man so wenig wie die einzelnen Nudeln in der Pasta, die man isst. Wie durchdacht das Design aber ist, lässt sich manchmal in Münchner Biergärten beobachten. Auch wenn Biergarnituren besonders gut altern, tut es dem Holz nicht gut, wenn Wasser daraufsteht.
Deshalb werden die Bänke und Tische, wenn es Regen gibt, oft gekippt, damit das Wasser abfließen kann. Die Maße ermöglichen es, sie zu einem großen, in sich verschachtelten Gebilde zusammenzustellen. Das schaut dann ein bisschen aus wie ein Kartenhaus, das von einem Riesen gebaut wurde.“
Stefan Diez ist Produktdesigner. Seine Objekte sind unter anderem im Museum für angewandte Kunst in Köln ausgestellt.