Als unsere Autorin noch im Westend lebte, war der Westpark ein fester Anlaufpunkt in ihrer Freizeit. Jetzt hat sie ihn nach längerer Zeit mal wieder besucht und festgestellt: Ob Ostasien-Gärten, Skulpturen, Spazierwege, Grillstellen, Biergärten, Liegewiesen oder Spielplätze: Der Park hat immer noch das Zeug dazu, eine Menge Leute glücklich zu machen.
Für meine Freundin Connie war es ihr erster Ferienjob als Schülerin. Bei Sonne und Regen stand sie von Ende April bis Anfang Oktober 1983 an den Wochenenden unter dem dunkelgrünen Spalier-Rundbogen und verteilte Prospekte an die Gäste der Internationalen Gartenausstellung (IGA). Auf dem Gelände des gerade fertiggestellten Westparks wurden damals unter anderem 23 Nationengärten präsentiert – von der Mittelmeervegetation bis hin zum Japanischen Garten. Von der damaligen Bepflanzung und Gestaltung hat sich einiges bis heute erhalten. Kaum zu glauben: Der Westpark feiert 2023 seinen 40. Geburtstag!
Bevor die IGA ins Spiel kam, gab es verschiedene Pläne für die ehemalige Brachfläche am Ende der Lindauer Autobahn – haarsträubende 1970er-Jahre-Projekte, wie etwa eine Verlängerung der Autobahn bis zur Lindwurmstraße oder ein Großparkplatz für das damalige Messegelände auf der Theresienhöhe. Die Menschen der umliegenden Stadtteile Sendling, Laim und des nahegelegenen Westends forderten dagegen eine Parkanlage zur Naherholung und fanden glücklicherweise Gehör.
Nicht lange her, da habe ich mich hier selbst naherholt bei meinen täglichen Joggingrunden durch den Park. Je nach Fitness lief ich ein bis zwei Runden, mal auf den asphaltierten Hauptwegen, mal auf verborgenen Pfaden am Hang hügelauf- und abwärts. Erst später habe ich herausgefunden, dass ich mein Glück beim Laufen den klugen Überlegungen des Münchner Landschaftsarchitekten Peter Kluska mitzuverdanken hatte. Sein Konzept der vielen naturnahen Nebenwege sorgt bis heute dafür, dass man in einem der meistbesuchten Stadtgärten Orte der Ruhe findet.
Kluska gewann 1976 den Architektenwettbewerb für den Westpark. Sein Entwurf sah vor, einen vom Großstadtlärm abgeschirmten Park zu schaffen, der mit Hügeln, Tälern und Gewässern eine Art Mini-Voralpenlandschaft bildet – in bewusster Anspielung übrigens auf das Landschaftskonzept des Münchner Olympiaparks.
Den meisten Bewohner*innen des Westends ersetzt der Westpark den eigenen Garten, so auch mir damals. Für meine Großstadtkinder war er ein Spielparadies. Unzählige Nachmittage haben wir im Sommer auf dem Wasserspielplatz verbracht oder bei den Riesenrutschen, haben an den Geburtstagen Schnitzeljagden durch den Park veranstaltet und ganze Sonntage auf der Wiese beim städtischen Spielmobil verbracht. Besonders schön in Erinnerung geblieben sind mir auch verschneite Wintertage, an denen ich meine kleine Tochter auf dem Schlitten vom Rodelhang im Westpark durch die Straßen bis nach Hause ins Westend gezogen habe.
All diese Plätze werden weiter fleißig genutzt, wie auch das kostenlose Sportprogramm „Fit im Park“ das ab Mai jeden Abend auf einer Wiese im Westteil des Parks stattfindet. Alle können teilnehmen, von der rüstigen Rentnerin bis zum jungen Familienvater, der am Rande einfach mal ein paar Übungen mitturnt, bis das Baby im Kinderwagen wieder aufwacht.
Schon von weitem kündet das laute Geschrei der Gänse vom Bauwagen-Café „Gans am Wasser“. 2016 hat es das alte 1980er-Jahre-Café im Westpark abgelöst, dem ich wirklich nicht nachtrauere. Anstelle von Steckerl-Eis aus der Truhe und aufgetautem Apfelkuchen gibt es hier jetzt richtig gute Sachen: Neben frischgebackenem Kuchen und vegetarischen und veganen Imbissen zählt auch ein Grillstand von Metzger Bauch aus dem Schlachthofviertel zum kulinarischen Angebot. Der Hit sind die handgefertigten Bio-Pommes. Betreiber Julian Hahn hat lange recherchiert und etliche Kartoffelsorten getestet, bis er die optimale für seine Fritten fand.
Welche Essensstände geöffnet haben und was an Kulturprogramm gerade läuft, zeigt ein Blick auf die Website „der Gans“. Das Café mit dem Charme eines großen Abenteuerspielplatzes hat ganzjährig geöffnet. Regelmäßig finden hier Live-Konzerte mit Eintritt auf Spendenbasis statt. Im Winter gibt es inzwischen einen idyllischen kleinen Weihnachtsmarkt. Menschen aller Altersgruppen fühlen sich wohl auf dem von der Sonne verwöhnten Terrain mit Blick auf den See, die Enten und die Sumpfzypressen, die im flachen Wasser wurzeln.
Von der Bepflanzung von 1983 ist einiges erhalten geblieben: das Feuchtbiotop mit einheimischen Pflanzen, der Bauerngarten rund um das historische Bayerwaldhaus von 1748, die naturnahe Farnschlucht, der Rosengarten, das Ostasien-Ensemble im Westteil des Parks und eine botanische Besonderheit: der Präriegarten. Fachleute verstehen darunter ein Zusammenspiel pflegeleichter und hitzebeständiger Blumen, Stauden und Gräser, das zu jeder Jahreszeit schön anzusehen ist. Diese Gartenform, bei der einem akribischen Plan folgend Wildwuchs suggeriert wird, gilt als typisch deutsche Erfindung, weswegen sie international als „New German Style“ bezeichnet wird.
Vor Jahren stand eine Besichtigung des in unmittelbarer Nachbarschaft des Rosengartens im Westpark gelegenen Präriegartens ganz oben auf der Wunschliste einer Gruppe von britischen Gartenjournalist*innen, die ich damals betreut habe. Die Pflanzung gilt als Pioniergarten für nachhaltiges Gärtnern und damit als „Must-See“ für Expert*innen. Andächtig beugten sich meine Gäste aus dem Mutterland des Gartenbaus über winzige Wildtulpen, Narzissen und Zwergschwertlilien, die dort zwischen strohgelben Halmen blühten.
Tatsächlich werden unsere Sommer ja immer heißer und es regnet zu wenig. Selbst Gartenmärkte sehen inzwischen das Ende des bewässerungsintensiven englischen Rasens kommen und werben für eine dem Klimawandel angepasste Bepflanzung. „Vielleicht will Dein Rasen in Wahrheit eine Wiese sein“, las ich neulich auf einem ihrer Plakate. Wer seinem Garten ein Stück Natur zurückgeben will, der kann sich bei einem Besuch des Präriegartens im Münchner Westpark wertvolle Anregungen für eine naturnahe und damit auch bienen- und insektenfreundliche Gestaltung des heimischen Gartens holen.
In keiner Münchner Grünanlage, die etwas auf sich hält, darf ein typisch bayerischer Biergarten fehlen. Der Westpark hat gleich zwei davon. Der eine liegt beim Rosengarten (bei schlechtem Wetter kann man alternativ im Wirtshaus am Rosengarten einkehren, das leider derzeit wegen Pächterwechsel noch geschlossen ist) der andere heißt „Hopfengarten“ und ist beim Audi-Dome zu finden, der Trainings- und Spielstätte des FC-Bayern Basketball-Teams. Jetzt nach Ende der Pandemie wird es dort im Sommer sicher wieder Livemusik und Tanz mit lokalen Bands geben.
Gerade saß man noch im bayerischen Biergarten, da steht man plötzlich völlig perplex vor einem neun Meter hohen goldenen Tempel mit einer Buddha-Statue, die auf einer Plattform auf dem Wasser thront. Sie ist Teil des Ostasien-Ensembles, das nach der IGA von 1983 auf Wunsch der Einheimischen erhalten blieb.
Die Statue im Tempel, einer thailändischen Sala, war das erste freistehende Buddha-Heiligtum in Europa. Der traditionell japanische Garten nebenan war der Beitrag der Münchner Partnerstadt Sapporo zur Ausstellung. Unmittelbar gegenüber führen wenige Stufen hinauf zu einer Pagode aus dunklem Holz. Sie wurde in Nepal eigens für die IGA von 300 Handwerker*innen geschnitzt.
Nicht viel mehr als eine Handvoll Gärtner*innen aus der chinesischen Provinz Kanton brauchte es dagegen für den Entwurf des benachbarten chinesischen „Gartens von Duft und Pracht“, den man nur in der warmen Jahreszeit betreten kann. Das Geschenk aus China war ein Zeichen der Öffnung des Landes in den 1980er-Jahren und der Intensivierung seiner Beziehungen zu Deutschland bzw. zur damaligen BRD.
Jedes Jahr findet am ersten Vollmond im Mai beim goldenen Tempel am Seeufer, rund um die Nepalpagode, im japanischen Garten und auf der benachbarten Seebühne das Vesakh-Fest statt. Gefeiert wird der Geburtstag von Buddha. Es ist der höchste buddhistische Feiertag, und dementsprechend bunt und feierlich geht es zu bei dieser Veranstaltung, zu der alle herzlich eingeladen sind. Der Einzug der Buddha-Statue wird von einem traditionell vietnamesischen Löwentanz und von einer Gruppe Thai-Tänzerinnen begleitet. Ein Familienprogramm mit Musik, Zeremonien und vegetarischen Köstlichkeiten gibt Einblick in die asiatische Kultur. Traditioneller Höhepunkt und gleichzeitig Abschluss der Feier ist die Lichterprozession rund um die Thai-Sala nach Einbruch der Dunkelheit.
„Die besten Nächte des Jahres“ verspricht das Sommer-Open-Air-Kino „Kino, Mond und Sterne“ auf der Seebühne gleich neben den Asien-Gärten. Auf Picknickdecken und denSteinstu fen des Amphitheaters kann man von Juni bis September hier eine Auswahl der beliebtesten Kinofilme des Jahres genießen.
Der Westpark ist auch ein Skulpturenpark. Mein Lieblingsbildhauer Lothar Fischer zum Beispiel, einer der bedeutendsten deutschen Bildhauer nach dem Zweiten Weltkrieg, ist mit seinem Werk „Große männliche Büste“ am Eingang vom Landaubogen vertreten. Daneben finden sich Skulpturen von weiteren Absolvent*innen der Münchner Akademie der Bildenden Künste wie Rudolf Wachter, der vor seinem Kunststudium eine Lehre als Holzschnitzer in Oberammergau machte. Von ihm stammt das 4,20 Meter hohe Kunstwerk aus Mahagoni-Holz „Zwei Diagonalschnitte“ im Ostteil des Parks nahe der Straße „Am Westpark“.
Im Westteil des Parks gibt es sogar einen echten Hundertwasser aus den Tagen der IGA. Nach all den Jahren lese ich endlich einmal ordentlich, was auf dem Schild über das „Hoch-Wiesen-Haus“ des Künstlers steht: Es zeigt seine Vision von einer Architektur im Einklang mit der Natur. Friedensreich Hundertwasser war nämlich nicht nur Maler und Architekt, sondern auch Ökologe. „Die Fliegende Landschaft“ am östlichsten Eingang zum Park von der Ganghoferstraße stammt von Johannes Leismüller, genauso wie die inzwischen dicht mit Kletterpflanzen bewachsenen, dunkelgrünen Stahlgitter-Raumbögen, unter denen meine Freundin Connie sich als Teenie ihre ersten D-Mark dazuverdiente.