In jedem Museum gibt es eine Installation oder ein Ausstellungsstück, das besonders viel Arbeit macht, besonders aufwendig aufgebaut oder beleuchtet werden muss oder aus anderen Gründen unter Beobachtung steht. Wir haben mit den Verantwortlichen über komplizierte Kunst gesprochen.
„Viele unserer Besucherinnen und Besucher gehen davon aus, dass unsere Marmorskulpturen sehr robust sind. Bei den Köpfen ist diese Annahme auch weitestgehend richtig, denn hier wirken keine gefährlichen Kräfte auf empfindliche Stellen. Bei den großen Skulpturen ist das anders: Besonders dann, wenn der ganze Körper erhalten ist, treten allein aufgrund des Eigengewichts des Marmors gewaltige Spannungen auf. In der Sammlung haben wir deshalb einige Stücke, die niemals bewegt werden, wie zum Beispiel der ,Barberinischen Faun‘.
Auch unsere beiden archaischen Kouroi sowie die Ägineten bewegen wir nicht, denn diese Statuen sind bereits in der Antike oder auch in der Neuzeit zerbrochen und wurden dann wieder zusammengesetzt. Die dafür verwendeten Verbindungsteile sind ungeheuren Kräften ausgesetzt.
Der Umstand, dass einige unserer wertvollsten Stücke an Ort und Stelle bleiben müssen, war insbesondere in den letzten Jahren eine Herausforderung. Denn die Glyptothek war dringend sanierungsbedürftig. Seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wurde kaum mehr in den Bauunterhalt investiert, dabei ist die Glyptothek mit mehr als 200 Jahren das älteste Museum der Stadt. Um die Skulpturen während der Generalsanierung zu schützen, hätte man sie auslagern können. Das wäre allerdings mit enormem Aufwand verbunden gewesen und hätte Millionen gekostet. Vor allem aber war das Risiko der Beschädigung zu groß. Wir haben uns deshalb entschieden, die Skulpturen mit speziellen Holzverschalungen einzuhausen.
Um die Skulpturen während der Generalsanierung zu schützen, hätte man sie auslagern können. Das wäre allerdings mit enormem Aufwand verbunden gewesen und hätte Millionen gekostet.
Seit März dieses Jahres ist die Glyptothek wieder geöffnet und erstrahlt in neuem Glanz. Das ist auch der zweite Aspekt, der von vielen Besucherinnen und Besuchern unterschätzt wird: wie viel Vorüberlegung und Arbeit in der richtigen Inszenierung der Objekte steckt. Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man ein paar sehr gelungene Eingriffe vorgenommen, die auf Johann Martin von Wagner, den Kunstagenten Ludwig I., zurückgehen. Der hatte sich statt des farbigen Buntmarmors als Fußboden und des farbigen Stucks an den Wänden eine eher zurückhaltende Innenarchitektur gewünscht, die heute weitestgehend umgesetzt ist. Das originale Ziegelmauerwerk wurde freigelegt und lediglich mit einer dünnen Kalkschlemme überzogen. Auch der Boden ist jetzt aus Muschelkalkstein, sodass die Skulpturen nun ganz im Vordergrund stehen.
Bei der jetzigen Generalsanierung wurden außerdem die Fensterscheiben ausgetauscht, die teilweise schon komplett blind waren. Ein Problem, das über die reine Ästhetik hinausgeht, denn die Skulpturen werden ganz bewusst über das Tageslicht illuminiert. Mit den neuen Scheiben ist die Beleuchtung nun wirklich großartig geworden. Mit wanderndem Sonnenstand verändert sich auch die Beleuchtung der Werke, sodass man sie im Grunde jedes Mal neu sehen kann. Die Glyptothek, die schon vor der Sanierung ein nahezu perfektes Museum war, ist dadurch noch ein Stück besser geworden.“
„Der Grund, warum ich mich damals für dieses Haus beworben habe: Im Museum Brandhorst gibt es die größte Andy-Warhol-Sammlung Europas, ein Künstler, der mich schon immer fasziniert hat. Mir gefallen besonders seine großen Werke, zum Beispiel ,Details of the Last Supper‘ oder auch ,Oxidation Painting‘. Letzteres ist gut acht Meter lang und fast drei Meter hoch. Die wenigsten Menschen fragen sich, wie so ein großes Bild überhaupt hierhergelangt. Die Leinwand ist zwar durchgängig, aber die Keilrahmen dahinter bestehen aus drei Teilen, die nur mit dünnen Blechen miteinander verbunden sind. Wenn man das nicht gleichmäßig anhebt, bekommt das Objekt sofort Falten. Ich brauche deshalb acht Leute, um das Bild zu hängen.
Der Vorgang ist ein Millimeterspiel, alle müssen sehr genau auf meine Kommandos achten. Das ,Oxidation Painting‘ ist auch als ,Piss Painting‘ bekannt, denn es besteht im Grund genommen einfach nur aus einer mit Kupferfarbe bestrichenen Leinwand, die mit Urin besprenkelt wurde. Deshalb darf die Leinwand auf keinen Fall ohne Handschuhe berührt werden, wir tragen zur Sicherheit immer zwei Paar, eines aus Nitril und darüber ein weiteres aus Baumwolle.
Die Leinwand ist zwar durchgängig, aber die Keilrahmen dahinter bestehen aus drei Teilen, die nur mit dünnen Blechen miteinander verbunden sind. Ich brauche deshalb acht Leute, um das Bild zu hängen.
Interessant ist auch, wie das Bild in das unterste Stockwerk gekommen ist. Unser Lastenaufzug ist für den Transport nämlich nicht groß genug. Auf dieses Problem haben wir auch die Architekten hingewiesen, die ja den Auftrag hatten, das Museum um die bestehende Sammlung herum zu bauen. Ihre Lösung war ein Lift im Treppenauge, der bei Bedarf extra aufgebaut wird. Um zu testen, ob das große ,Last Supper‘ auch wirklich innerhalb des Hauses transportiert werden kann, wurde extra eine Simulation erstellt. Mit dem Lift im Treppenauge kann ich jetzt bis zu zwölf Meter lange und vier Meter hohe Bilder transportieren. Allerdings freue ich mich, wenn wir den Lift nicht allzu häufig aufbauen müssen, denn das ist jedes Mal mit einer aufwendigen Wartung und einer Abnahme durch den TÜV verbunden.“
„Als uns der Münchner Verleger Lothar Schirmer vor knapp zehn Jahren seine große Beuys-Sammlung geschenkt hat, ist das Lenbachhaus fast über Nacht zu einem der bedeutendsten Beuys-Zentren der Welt geworden. Für mich als Restauratorin ist das Werk von ihm hochinteressant. Nicht nur auf inhaltlicher Ebene, sondern auch, weil es in der Erhaltung eine besondere Herausforderung ist. Beuys hat für seine Kunst ganz bewusst Materialien verwendet, die vergänglich sind: Vogelschädel, Fett, Talk, Wachs. Ein halbes Jahrhundert nach Entstehung stellen sich natürlich spannende Fragen: Dürfen wir in den Alterungsprozess eingreifen? Wie können wir dem Werk helfen? Was sollten wir auf keinen Fall tun?
Beuys hätte sicher am liebsten eine Biozitrone gehabt, er hat ja früh erkannt, was mit der Umwelt passiert, wenn wir Pestizide und Dünger so vehement einsetzen. Leider altert die Biozitrone noch schneller als die behandelte.
Ein gutes Beispiel ist Beuys’ Installation ,Vor dem Aufbruch aus Lager I‘, die er aus den Resten eines politischen Büros gefertigt hat. In der Mitte steht ein Tisch, auf dem ein Küchenmesser liegt, das auf ein kleines Tetraeder aus Fett zeigt. Als wir das Werk in die Sammlung bekamen, war das Fett so gut wie nicht mehr vorhanden, vor allem aber hatte es seine starke Geometrie verloren. Hier mussten wir uns die Frage stellen: Was können wir tun, um diese Form wieder lesbar zu machen, ohne in die originale Substanz einzugreifen? Ich habe dann mithilfe eines Lötkolbens und Bienenwachs eine winzige ,Tetraeder-Garage‘ geformt und diese mit Margarine bestrichen. Die sitzt jetzt über dem alten Fettfleck, der nur noch in Krümeln vorhanden ist, und kann jederzeit wieder weggenommen werden. Denn das ist einer der wichtigen Grundsätze bei der Restaurierung an Museen: Die Eingriffe weitestgehend reversibel zu halten. Das bedeutet auch, dass wir nicht bei jeder Fettecke sagen: Die gehört aber mal neu gemacht. Im Gegenteil: Nur dort, wo durch den Alterungsprozess die ursprüngliche Aussage unverständlich wird, denken wir darüber nach einzugreifen.
Ein anderes Beispiel ist die berühmte ,Capri-Batterie‘ von Joseph Beuys. Dabei handelt es sich um eine Zitrone, in der eine Lampenfassung aus Bakelit steckt, die eine gelbe Glühbirne trägt. Die Idee des Werkes ist, dass die Zitrone das Sonnenlicht gespeichert hat und so wie eine Batterie die Glühbirne zum Leuchten bringt. Wir stellen sie mit ihrer Verpackung aus, auf der lustigerweise steht: ,Nach 1000 Stunden Batterie auswechseln‘. Tatsächlich müssen wir die Zitrone wöchentlich wechseln, weil sie durch die Kupferdioden beschleunigt altert.
Beuys hätte sicher am liebsten eine Biozitrone gehabt, er hat ja früh erkannt, was mit der Umwelt passiert, wenn wir Pestizide und Dünger so vehement einsetzen. Leider altert die Biozitrone noch schneller als die behandelte. Da muss ich als Restauratorin dann abwägen, was dem Werk am ehesten gerecht wird. Zurzeit liegt eine behandelte Zitrone in der Vitrine, aber wenn wir biologische finden, die gelber und schöner sind, verwenden wir lieber die.“