Wer die Stadt entdecken will, muss aus ihr raus. Denn Bayerns Landeshauptstadt ist nichts ohne ihr Land – und umgekehrt.
Schon von Weitem streckt sich der Zwiebelturm der Andechser Klosterkirche in den weiß-blauen Himmel. Die katholische Wallfahrtskirche St. Nikolaus und Elisabeth – so ihr offizieller Name – thront auf einem Hügel prägend über der bayerischen Landschaft. Ein Sehnsuchtsort. Hier kommen Menschen aus München her, wenn sie Urlaub von der Stadt machen, ohne diese so richtig zu verlassen. Eine Fahrt mit der S-Bahn bis nach Herrsching genügt. Fahrtzeit vom Hauptbahnhof: 52 Minuten.
Von dort schlängeln sich unterschiedliche Wege gemütlich durch Wald und Wiesen, bis der „heilige Berg“ zwischen den Bäumen auftaucht. Manche Gäste zieht es ganz nach oben zur Kirche. Andere lassen sich über den Berg und sein Ensemble alter Klostergebäude treiben, laufen vielleicht sogar einem der Hausherren über den Weg: Benediktinermönchen in schwarzer Kutte. Ausnahmslos alle werden sich aber irgendwann im Biergarten oder in der Schwemme treffen. Das Bier der Klosterbrauerei ist eine Delikatesse, die man am besten in guter Gesellschaft genießt.
Raus aus der Stadt, um selbige kennenzulernen: Das klingt nur so lange paradox, bis man zum ersten Mal in Andechs übers Kopfsteinpflaster wandelt. Denn München ist besonders. Die Stadt ist einerseits die einzige Metropole Bayerns, weltberühmt und weltgewandt, modern und vielschichtig. Andererseits kulminiert in München dieses spezielle Lebensgefühl, das sich zwischen Donau und Alpen herausgebildet hat – und das das Bild von Bayern, seinen Menschen und seinen Traditionen prägt. Man könnte daher auch sagen: Die Landeshauptstadt ist nichts ohne ihr Land. Und umgekehrt.
So gesehen eignet sich Andechs hervorragend, um ein Gespür für München zu bekommen. Aber es bei diesem einen Abstecher zu belassen, wäre schade. Zu vielfältig ist München, zu vielfältig das Münchner Umland. Und zu bequem und zügig die Anbindung. Der Süden fächert sich zu einem Panorama aus Seen und Vorbergen, Feldern und Städtchen auf, das sich nach und nach in den schroffen Klüften der Alpen verliert.
Die Orts- und Flurnamen klingen einem wie Musik in den Ohren. Da ist der Walchensee, aufgrund seines türkisblauen Wassers auch „bayerische Karibik“ genannt. Die Badehose also nicht vergessen! In Murnau am Staffelsee lässt sich hingegen erahnen, warum die Voralpenidylle einst Maler und Malerinnen wie Wassily Kandinsky, Gabriele Münter und Franz Marc zu Meisterwerken inspiriert hat. Der Tegernsee lockt wiederum Schickeria und Wanderfreudige gleichermaßen: Die einen genießen mondän vom Ufer den See- und Alpenblick. Die anderen klettern zu den Gipfeln von Bodenschneid und Brecherspitz. Von oben schieben sich weitere Seen ins Panorama, darunter der Schlier- und der Spitzingsee.
Überhaupt üben die sogenannten Münchner Hausberge eine ganz besondere Faszination aus. Das liegt auch daran, dass es vor allem bei Föhnwetter so aussieht, als würden die Alpen direkt hinter der Stadtgrenze beginnen. Und tatsächlich ist es so, dass man in nur wenigen Städten so schnell aus dem Zentrum hinaus in die Natur kommt wie in München. Davon machen auch die Einheimischen gerne Gebrauch, indem sie sich etwa den 1.838 Meter hohen Wendelstein als Ziel nehmen. Gleich unterhalb des Gipfels steht das Wendelsteinhaus, das von unten so aussieht, als habe es jemand direkt aus dem Fels gehauen. Zu Fuß hinauf braucht es daher unbedingt Trittsicherheit. Alle anderen können auf die Seil- oder Zahnradbahn ausweichen.
Geschwindigkeitsfans dagegen steigen lieber auf den Blomberg bei Bad Tölz – und für den Rückweg in die Sommerrodelbahn um. 41 Schikanen und 17 Kurven lang bläst einem der Fahrtwind auf dem Weg ins Tal ordentlich um die Ohren. Gut essen lässt es sich am Berg übrigens auch, und längst nicht nur deftig: So genießt etwa die Hündeleskopfhütte bei Pfronten den Ruf einer hervorragenden vegetarischen Küche. Auf der Speisekarte stehen heimische Spezialitäten wie Flädlesuppe – allgäuisch für Pfannkuchensuppe – oder Käsespätzle. Für die mittlerweile zahlreichen Hütten, die hauptsächlich regionale Speisen und Getränke anbieten, haben die Alpenvereine sogar ein eigenes Siegel entwickelt: „So schmecken die Berge“. Ein gutes Dutzend davon findet sich im alpinen Einzugsgebiet Münchens.
Im Winter zieht es dann die Schneesportfans ans Brauneck bei Lenggries oder aufs Sudelfeld bei Bayrischzell. Oder nach Garmisch: Wer sich traut und geübt ist, wirft sich auf Skiern oder Snowboard die Kandahar-Abfahrt hinunter. Die Strecke ist im Rennkalender der Skiprofis eine feste Größe. Alternativ wartet nebenan die Gondel zur Zugspitze. Auf Deutschlands höchstem Berg liegt eigentlich immer Schnee, einen unvergesslichen Blick in die Alpen bietet der 2.962 Meter hohe Gipfel obendrein.
Um ein Gefühl für München zu bekommen, sollte man aber den Fehler vermeiden, hinter der Stadtgrenze nur den Süden ins Visier zu nehmen. Der bildet zwar dank der Alpen die im besten Sinne auffälligste Himmelsrichtung. Aber im Osten, Westen und Norden lässt sich noch viel anderes entdecken – selbst da, wo man es vielleicht nicht gleich vermutet. Zum Beispiel in Dachau. Der Name der Stadt ist vor allem mit dem Nationalsozialismus verbunden. Die Nazis ließen hier 1933 das erste Konzentrationslager errichten, das zum Prototyp für den Holocaust wurde.
Heute ist das Gelände eine Gedenkstätte, die die Menschen aus dem Umland schon zu Schulzeiten besuchen. Angesichts dieses Schreckens geht leicht unter, dass Dachau auch eine reizvolle Seite besitzt. So lässt es sich im Hofgarten des Dachauer Schlosses wunderbar lustwandeln. Von der Schlossterrasse schaut das Auge außerdem ungeahnt weit in die Schotterebene, über die Dächer Münchens und bis in die Alpen hinein. Empfehlenswert ist auch das Dachauer Volksfest, das jedes Jahr rund um Mariä Himmelfahrt (15. August) stattfindet: Die Stadt deckelt nämlich den Bierpreis. Das macht die Maß im Zelt günstiger als auf vielen anderen Festen in und um München.
Schlösserbegeisterte sollten neben den weltberühmten Königsschlössern – dazu weiter unten mehr – auch den Münchner Norden im Blick haben und mit der S-Bahn nach Oberschleißheim fahren. Dort steht mit dem Schloss Schleißheim eine der schönsten Barockanlagen Deutschlands. Wobei: Streng genommen handelt es sich um ein Ensemble von sogar drei Schlössern. Von ihnen ist das Neue Schloss eindeutig am monumentalsten geraten. Über mehr als 300 Meter Länge reihen sich die Fenster in der mächtigen Front. Innen spiegelt unter anderem der überreich verzierte Weiße Saal das Anspruchsdenken des Hausherrn wider.
Kurfürst Max Emanuel ließ das Neue Schloss von 1701 an errichten, um seinen Anspruch auf den Thron des Heiligen Römischen Reiches zu untermauern. Daraus wurde zwar am Ende nichts. Dafür zeugt der Bau von der Raffinesse und Kunstfertigkeit der damaligen Baumeister. Gleiches gilt für den weitläufigen Park, der die drei Schlösser miteinander verbindet. Zwischen Wasserkanälen, Blumen und Bäumen kann man schon mal die Zeit vergessen – und das Jahrhundert.
Für Mittelalterflair bietet sich dagegen Landshut an. Die Stadt liegt noch ein Stück weiter im Norden und wie München an der Isar. Heute steht sie im Schatten der Landeshauptstadt, dabei wurde das Land lange von hier aus geschützt. Daher stammt auch ihr Name: „Landeshut“. Die zu diesem Zweck gebaut Burg Trausnitz wirkt bis heute massiv, ihre von Türmen geschützten Mauern erheben sich über einem steilen Hang. Die alten Befestigungsanlagen sind größtenteils erhalten geblieben. Direkt an die Burg schließt sich der Schlosspark an. Schon nach ein paar Schritten fühlt man sich in einen Bergwald versetzt.
Auch die Altstadt mit ihren gotischen Bürgerhäusern hat die Jahrhunderte fast unverändert überstanden. Und alle vier Jahre schmücken die Menschen aus Landshut die Gassen und sich besonders: Zur Landshuter Hochzeit ist die halbe Stadt auf den Beinen und mittelalterlich gewandet – das mehrwöchige Fest erinnert an die 1475 in Landshut begangene Eheschließung des bayerischen Herzogssohns Georg mit der polnischen Königstochter Hedwig.
Auffällig ist in dieser Hinsicht auch, wie viele Welterbestätten sich rund um München sammeln. Zu diesen besonders schützenswerten Bauwerken gehört etwa die historische Wasserwirtschaft in Augsburg: Die „kleine Schwester Münchens“ wird von einem Netz aus Kanälen, Bächen, Wehren und Wasserwerken durchzogen. Ebenso auf der UNESCO-Liste stehen 5.500 Jahre alte Pfahlbauten, die bei Landsberg am Lech gefunden wurden – und die zeigen, wie die Menschen der Steinzeit gelebt haben. Südwestlich von München gehört die Wieskirche dazu. Sie gilt als Höhepunkt des bayerischen Rokokos, eines Baustils, der sich so verschwenderisch wie spielerisch präsentiert. Der lichtdurchflutete Innenraum ist mit seinem Stuck und dem bunten Himmelsfresko einzigartig.
Selbiges lässt sich ohne jede Übertreibung über Schloss Neuschwanstein sagen. Die Anlage steht nur ein paar Kilometer weiter bei Füssen im Gebirge. Mit ihr erfüllte sich der bayerische König Ludwig II. den Traum von der eigenen Ritterburg, mit nachhaltigem Erfolg: Heute wird keine andere Sehenswürdigkeit in Deutschland so häufig besucht wie des „Kinis“ Märchenschloss. Sogar fürs Disney-Logo stand es Pate. Eigentlich erstaunlich, dass Neuschwanstein es – noch – nicht auf die Welterbeliste geschafft hat.
Man könnte ewig so weitermachen. Schließlich hört es sich mit dem Entdecken im Münchner Umland niemals auf. Dazu ist manches, wie etwa im Osten der Chiemsee, schlicht zu groß. Der größte See Bayerns beherbergt auf der Herreninsel nicht nur ein weiteres spektakuläres Schloss Ludwig II., er wird auch „bayerisches Meer“ gerufen und ist ein Paradies für Wassersportfans – ob sie nun lieber am Kiesstrand liegen, mit dem SUP paddeln oder segeln.
Und noch ein Stück weiter im Osten öffnen sich die Alpen plötzlich, um einem Naturjuwel Raum zu geben: dem Königssee. Ein Ufer kennt er kaum. Fast senkrecht fallen die Berge links und rechts ab, sodass nur das Boot bleibt, um ans andere Ende des Sees zu gelangen. Unterwegs hält der Kapitän an, holt die Trompete hervor und entlockt den Felsen ein Echo. Denn wie die Kirchen und Schlösser, die Seen und die Natur, das Bier und das Brauchtum ringsherum gehört zu München eben auch: der Klang der Berge.
An klaren Tagen reicht der Blick von München bis in die Alpen. Die Berggipfel sind zum Greifen nah. Von München in die Berge und zu den schönsten Seen ist es gar nicht weit. Hier geben wir jede Menge Ausflugstipps zum Wandern und Radfahren rund um die oberbayerischen Seen, auf die Gipfel der Münchner Hausberge und zu urigen Hütten. Darunter auch kurze Feierabendtouren und erfrischende Klammwanderungen im Sommer sowie Ski- und Schneeschuhtouren im Winter.