Ab sofort präsentiert sich das Kunstareal München mit Einbruch der Dunkelheit in einem ganz besonderen Licht. Bis zum 14. Februar 2021 sind dort an verschiedenen Orten Lichtinstallationen namhafter Münchner Künstler*innen zu erleben. Unsere Autorin hat sich gleich am Tag nach der Eröffnung ein bisschen dort treiben lassen.
Die Treppen hoch aus der U-Bahn am Königsplatz. Maske runter. Der Himmel ist wild. Ein Gebräu aus Dunkelblau und Dunkelgrau. Das Säulenportal der Propyläen ist festlich beleuchtet. So als würden hier in Kürze Limousinen vorfahren mit den Gästen für einen Galaabend.
Der Eindruck täuscht, denn hinter den Säulen führt der Weg einfach wieder hinaus ins Freie. Trotzdem hält meine feierliche Stimmung an, denn die Innenraumbeleuchtung der Propyläen ist tatsächlich der Auftakt zu einer Abendveranstaltung der besonderen Art: Licht- und Videoinstallationen laden dazu ein, die Vielfalt der Museen, der Institutionen und der Architektur im Kunstareal hier in der Maxvorstadt für sich zu entdecken.
Weiter geht es gleich schräg gegenüber bei den Antikensammlungen. Noch sind nur wenige Menschen auf dem Platz. Ich bin fast allein mit dem Museum und es strahlt mich förmlich an. Im Augenblick führt Franz von Lenbachs spärlich bekleidete Salome ihren lasterhaften Tanz zwischen den Säulen des Tempelgebäudes auf. Gegengleich, also rechts vom Eingang, sind das Blaue Pferd und der Tiger von Franz Marc auf die Außenwand projiziert.
Wie die barbusige Femme fatale feiern auch sie ihre Aufritte normalerweise im Lenbachhaus gleich um die Ecke. Weitere Gemälde und Statuen aus dem Lenbachhaus erscheinen jetzt im Wechsel mit Reigen von Exponaten aus den Antikensammlungen und Luftaufnahmen vom Kunstareal. Die Bilder haben ihren üblichen Rahmen verlassen und treten mir hier ungewöhnlich nah.
Im Augenblick führt Franz von Lenbachs spärlich bekleidete Salome ihren lasterhaften Tanz zwischen den Säulen der Antikensammlungen auf.
Es geht auf 17 Uhr zu. Mit schweren Instrumentenkoffern bewaffnete Student* innen der Hochschule für Musik und Theater verlassen den Campus. Die Abschiedsszenen erscheinen in ein oranges Licht getaucht. Eine schöne Stimmung. Ich schaue eine ganze Weile lang einfach zu.
Der Fachbegriff für diesen Lichtfarbton ist Amber. Im Sinne einer einheitlichen Wahrnehmung wurde das augen- und umweltfreundliche Wohlfühl-Licht auch für das Museum für Abgüsse Klassischer Bildwerke und zahlreiche weitere Gebäude gewählt. Riesige Lichtstrahlen von Dach zu Dach machen die Bezüge zusätzlich deutlich und loten das Kunstareal in seinem Gesamtumfang aus.
Die Abschiedsszenen erscheinen in ein oranges Licht getaucht. Eine schöne Stimmung. Ich schaue eine ganze Weile lang einfach zu.
Erst jetzt nehme ich wahr, dass in der Turmstube des historischen Gebäudes der Technischen Universität an der Gabelsbergerstraße Licht brennt. Erst Feuerrot, dann Blau. Ich bin verzaubert. Was mag da oben vor sich gehen? Als ich Kind war, gab es hinten im Backofen ein Glasfensterchen, dahinter brannte eine winzige Glühbirne. Ich glaubte, dass dort Backzwerge wohnten, die ich aber niemals zu Gesicht bekam, sooft ich es auch versuchte. Mit Licht hat wohl jede*r so seine Geschichten.
Wenig später treffe ich die Monumentalskulptur, die vor dem Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst steht und seit Jahr und Tag durch ein rotes Rohr in das unterirdisch gelegene Museum stiert. Jetzt hätte sie einmal eine gute Gelegenheit, sich aufzurichten. Die Schätze der Sammlung sind gerade in faszinierender Weise als Projektion auf der Außenwand zu bewundern.
Mit Licht hat wohl jede*r so seine Geschichten.
Wie durch ein Kaleidoskop sieht man dort goldene Masken und andere Objekte aus über 5000 Jahren Kunst und Kultur des alten Ägypten zersplittern und auseinander fließen, um sich anschließend wieder zusammenzufügen.
Auch hätte der Gebückte die einmalige Chance, seinen Horizont zu erweitern: Exponate aus dem Museum für Abgüsse klassischer Bildwerke, Drohnenflüge und Außenaufnahmen des Kunstareals sind ebenfalls Teil der Lichtschau.
Auf der Wiese zwischen Alter Pinakothek und Hochschule für Fernsehen und Film nähere ich mich einer weithin sichtbaren Ansammlung schwarz-weiß bemalter Kugeln. Ihre weiße LED-Beleuchtung bildet einen Kontrast zu den kunterbunten Lichterketten des Studenten-Treffs Minna Thiel von gegenüber. Hinter mir sagt jemand, dass er die Abschaffung der Glühbirne nie verwunden habe. Ich gefalle mir so inmitten des Gestirns, das die 18 Museen im Kunstareal repräsentiert. Den Fotografen gefällt das weniger. Sie wollen die Kugeln ohne mich. Mindestens zehn Stative sind auf das Ensemble gerichtet. Es ist das beliebteste Motiv des Abends.
Die Bilder haben ihren üblichen Rahmen verlassen und treten mir hier ungewöhnlich nah.
Die Lichtaktion schärft auch meine Wahrnehmung für die ganz alltäglichen Lichter der Großstadt. Da sind die vielen Hunde mit ihren Leuchthalsbändern, die Designerlampen im Einrichtungsgeschäft und ein einsamer, hellblau leuchtender Kubus vor der TU. Springt eine Ampel auf Rot, flammen unzählige rote Bremslichter auf.
Etwas abgelegen, auf der Nordseite der Alten Pinakothek, liegt der Lichtwald. Fast weihnachtlich andächtig ist es hier trotz der ungewöhnlichen Kombination der Farben Violett, Blau und Orange. Junge Frauen mit Kinderwägen haben unter den beleuchteten Bäumen Platz genommen. Vom Spielplatz her hört man das Klacken von Tischtennisbällen. Licht bedeutet auch: Hier ist Leben. Es ist herrlich, hier draußen in der Kälte zu wandeln und nicht alleine zu sein.
Was ist mein persönliches Highlight der Lichtaktion? Die Illumination der Fassade der Pinakothek der Moderne. Das Gebäude bietet links vom Eingang drei gleichgroße Projektionsflächen für die faszinierendsten Aufnahmen von Steinen und Mineralien, die ich je gesehen habe. Ich war noch nie im Museum Reich der Kristalle gleich hier gegenüber. Das muss ich dringend ändern.
Die Künstlerin Betty Mü löst die Grenzen zwischen Innen und Außen auf, sie ersetzt Wände durch Fassaden aus Licht, bewegt und bunt.
Dann erscheinen Innenaufnahmen der Alten Pinakothek und Kunstwerke aus allen drei Pinakotheken in klaren Farben. Die Videokunst der namhaften Münchner Künstlerin Betty Mü wirkt auf mich wie der Traum von einer Architektur der Zukunft.
Sie löst die Grenzen zwischen Innen und Außen auf, sie ersetzt Wände durch Fassaden aus Licht, bewegt und bunt. Das müsst Ihr unbedingt gesehen haben, werde ich meinen Freundinnen und Freunden berichten.
Hier finden Sie weitere Informationen zur Lichtaktion der Landeshauptstadt München und den beteiligten Künstler*innen.